Selfpublishing


Das
"Selfpublishing", wie das Selbstverlegen per eBook mittlerweile meistens genannt wird, ist zum Phänomen geworden. Nach mehreren gescheiterten Anläufen in vergangenen Jahrzehnten, das elektronische Lesen zu etablieren, hat der Einstieg des Online-Riesen Amazon in dieses Gebiet die Spielregeln neu geschrieben und mit dazu beigetragen, dass das eBook inzwischen aus dem Spektrum der Publikationsformen nicht mehr wegzudenken ist.

Ich beobachte diese Entwicklung mit Interesse – zunächst mit dem Interesse des Lesers, aber natürlich auch mit dem Interesse des Autors, dem ein so grundlegender Wandel seines Betätigungsfeldes nicht gleichgültig sein kann. Ich will aber an dieser Stelle gleich vorausschicken, dass ich, was das elektronische Publizieren anbelangt, wenig aus eigener Erfahrung beisteuern kann. Was meine eigenen Bücher anbelangt, habe ich nicht die Absicht, mir die verlegerische Arbeit (deren Umfang Außenstehende gern dramatisch unterschätzen) selber aufzuhalsen. Erwarten Sie nachstehend also in erster Linie Beobachtungen, Überlegungen und Verweise auf Stellen und Seiten, die ich für kompetent halte.

Ein Durchbruch auf dem Gebiet der Bücher hat immer etwas zu tun mit
Bestsellern. So auch hier: Der Umstand, dass ein paar Autoren mit selbst herausgegebenen eBooks Bestseller gelandet haben, hat erstens die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt und zweitens bewiesen, dass inzwischen genügend eReader im Umlauf sind, mit anderen Worten, dass der bisherige Teufelskreis ("es lohnt sich nicht, eBooks zu publizieren, es gibt zu wenig Leute, die einen Reader haben … und es lohnt sich nicht, einen Reader zu kaufen, weil zu wenig eBooks erhältlich sind") durchbrochen ist. Mehr als die Hälfte der Lesegeräte sollen sich in weiblicher Hand befinden: Auch das zeigt, dass eBooks auf ihrem Marsch in die Normalität schon weit gekommen sind. Nicht wenige Leser ziehen inzwischen elektronische Bücher den gedruckten vor; ich selber befinde mich zumindest in der Entwicklung dahin, wäre allerdings noch nicht bereit, auf wohlgefüllte Bücherregale im Wohnbereich zu verzichten.

Erste Beobachtung: Wenn man sich die Selfpublish-Bestseller anschaut, dann handelt es sich dabei interessanterweise nicht um die "ungewöhnlichen Bücher", denen der Fama nach von den "etablierten Verlagen keine Chance gegeben" wurde, sondern meist um Romane, die, wären sie ganz konventionell in einem normalen Verlag erschienen, eindeutig das Etikett "kommerziell" bekommen und auch verdient hätten: Bisher hatten wir da Romane, die auf der Vampirwelle schwammen, solide Thriller, sogenannte Erotik und dergleichen mehr. Nichts jedenfalls, das unter anderen Umständen in den Dunstkreis hochliterarischer Weihen gelangt wäre.

Mit anderen Worten, wir sehen hier aufs Deutlichste belegt, dass viele Menschen tatsächlich genau diese Art Bücher lesen
wollen. Denn wir reden hier von selbstpublizierten eBooks, die keinerlei Werbebudget hatten, die in einem Markt erschienen sind, der weder an Unübersichtlichkeit noch an Auswahl zu wünschen übrig lässt, die also, anders gesagt, ihren Lesern garantiert nicht "aufgezwungen" wurden. Im Gegenteil, man muss gewisse Anfangsinvestitionen tätigen (einen eReader kaufen) und Hürden überwinden (ausklamüsern, wie das Ding funktioniert), um an diese Bücher heranzukommen, und die Kunde von ihrer Existenz kann sich anfangs wesentlich nur über Mundpropaganda (was heutzutage natürlich das Internet einschließt) verbreitet haben. Freiwillig.

Zweite Beobachtung: Bisher war es meistens so, dass die auf eigene Faust erfolgreich gewordenen Autoren dann doch ganz gern unter die Fittiche von Verlagen geschlüpft sind, wenn diese ihnen ein angemessenes Angebot gemacht haben.

Mir sagt das, dass die erfolgreichen Selfpublisher auf ihrem Weg eine ganz gute Vorstellung davon gewonnen haben, was ein Verlag dem, was ein Autor in erster Linie hervorbringt – einen Text nämlich – hinzuzufügen imstande ist, und dass es, gerade wenn die eigentliche Passion dem Schreiben selber gilt, unbedingt ratsam ist, alle die Arbeiten abzugeben, die andere ohnehin besser machen können als man selbst.

Und ich muss klar sagen: Ich finde das gut. Denn Arbeitsteilung ist eines der elementarsten Grundprinzipien dessen, was wir Fortschritt nennen; es kann nicht sein, dass die Entwicklung wirklich wieder dahin geht, dass jeder alles selber macht. Und das wird sie auch ganz bestimmt nicht tun. Als Selfpublisher "alles alleine" zu machen, wird bei einigen künstlerische Gründe haben (um, einfach gesagt, die völlige Kontrolle über das Endergebnis zu behalten), die meisten aber werden es nur notgedrungen tun. Und es lassen, sobald die Notwendigkeit entfällt.

Daraus folgen zwei absehbare Trends:

  • Erstens: Selfpublishing wird in Zukunft vermutlich eine wichtige Schiene sein, um vom Zustand des Hobbyautors zu dem des hauptberuflichen Schriftstellers zu gelangen. Man wird, wenn man künftig seinen ersten Verlagsvertrag unterzeichnet, nur noch in seltenen Fällen ein hoffnungsvoller Noname sein, sondern meistens bereits einen Leserstamm mitbringen (was, anbei bemerkt, die eigene Verhandlungsposition ungemein stärken wird).
  • Zweitens: Weil das so ist, werden die besten Bücher auch zukünftig in Verlagen erscheinen. Verlage werden nicht verschwinden (aber wahrscheinlich werden sie andere Dingen machen als bisher – und bisherige Dinge anders). Auch in Zukunft wird es für ein Buch ein Qualitätssiegel sein, in einem Verlag zu erscheinen.

Alles in allem eine spannende Entwicklung. Zwar ist der Selfpublishing-Markt unübersichtlich und wird es wohl auch bleiben, aber auf der anderen Seite hat man dadurch, dass elektronische Bücher billiger sein können, als es gedruckte (erst recht
selber gedruckte) je sein konnten, und sich Leseproben als wichtigstes Verkausfargument etabliert haben, ein experimentierfreudigeres Publikum und damit mehr Chancen denn je, mit einem guten Text wahrgenommen zu werden.


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