Wie man besser wird



Als Schriftsteller, überhaupt als Künstler, hat man niemals ausgelernt. Man versucht sein Leben lang, besser zu werden. Tröstliche Weisheit: Nur schlechte Autoren zweifeln nie an ihrem Talent!



Nützen solche Bücher denn wirklich etwas? Ich hatte mal ein solches angeschafft, aber das ist dann recht schnell auf dem Trödelmarkt gelandet, weil es mir absolut nichts gebracht hatte.

(Welches war denn das?)

Ich persönlich kaufe jedes Buch zu diesem Thema, das mir unterkommt, und bisher habe ich noch aus jedem was gelernt, auch wenn es nicht immer viel war (inzwischen kenn' ich mich eben doch schon ein bißchen aus...:-). Ich finde es anregend, sich Gedanken über die eigene Arbeitsweise zu machen und die Gedanken anderer dazu kennenzulernen.

Freilich muß es einem liegen, aus Büchern zu lernen, das gebe ich zu. Man braucht eine Offenheit dafür, sich von einem Buch hinterfragen zu lassen, eine Bereitschaft, zu experimentieren, sein Verhalten (und sei es nur probeweise) zu ändern. Man darf natürlich auch nicht in die Haltung verfallen, sklavisch alles befolgen zu müssen, was der jeweilige Guru schreibt - deshalb ist es gut, MEHRERE solche Bücher zu lesen. Die widersprechen sich dann hier und da, und schon sieht man sich gezwungen, selber nachzudenken... zu prüfen, was für einen selber funktioniert. (Und was sind schon 30 oder 50 Mark für ein Buch, wenn nur ein guter Tip drinsteht, der mir hilft, besser zu schreiben? Geht man eben einmal weniger ins Kino, was soll's.)

Was mich bisweilen etwas befremdet, ist die Haltung deutscher Autoren, allen Ratgeberbüchern gegenüber grundsätzlich ablehnend zu sein. Die typische Reaktion ist "Ich will mich nicht beeinflussen lassen" oder "Ich will doch nicht nach Schema F schreiben". Mir kommt das vor, als wolle jemand Bundesliga-Fußballer werden, bestehe aber darauf, sich alles selber beibringen, es ohne Trainer schaffen zu wollen. Gibt es in der Bundesliga einen Fußballer, der auf so eine Laufbahn zurückblicken kann? Nein. Weil es nicht geht. Und hat nicht doch jeder seinen persönlichen Kick-Stil entwickelt? Na also.

Denn von anderen, in Kursen oder aus Büchern kann man immer nur die Anfangsgründe lernen, danach ist man ohnehin auf sich allein gestellt. Im Schreiben gibt es eine handwerkliche Ebene, über die man viel von anderen lernen kann. Die Ebene, die darüber hinausgeht, die muß sich jeder selber erschließen; das ist ein Land, in dem jeder der erste Entdecker ist. Und damit hat man auch genug zu tun. Man kann es sich nicht leisten, Zeit damit zu verschwenden, auch noch die Basics selber herauszufinden, das Rad immer wieder neu zu erfinden; dazu ist das Leben einfach zu kurz. Was immer man von anderen lernen kann, soll man von anderen lernen; alles andere ist Energieverschwendung.

Nachtrag: Obige Antwort ist etliche Jahre alt, inzwischen kaufe ich nicht mehr jedes derartige Buch, das mir unterkommt, dafür sind es längst zu viele geworden. Aber ich habe eine ziemlich umfangsreiche Sammlung!



Muß ich mir wirklich eine "STIL" Fibel zulegen, oder etwas, was mir das Schreiben erklärlicher macht als es ist? Es ist schon so, daß es als ein Handwerk zu betrachten ist und man es lernen muß. Es sei denn man hat Talent dazu. Aber das können ja die wenigsten von sich behaupten. Also, sollte ich wirklich das ein oder andere Buch, auf Ihrer Webseite empfohlen, kaufen, um damit das Handwerk einzustudieren ?? Man kann damit doch eh nur auf den Weg gebracht werden.

Also, ich würde diese Bücher nicht empfehlen, wenn ich sie nicht für empfehlenswert hielte, nicht wahr? Und mit solchen Büchern übers Schreiben ist es wie mit Büchern übers richtige Schwimmen: Man wird es nicht lernen, wenn man nicht irgendwann ins Wasser springt - aber umgekehrt reicht es zum Schwimmenlernen eben auch nicht, einfach nur ins Wasser zu springen. Jemand muß einem zeigen, wie es geht. Und daß ein Weltklasseschwimmer alle Bücher über Schwimmtechniken gelesen hat, die es gibt, darauf würden Sie doch sicher auch wetten, oder?

Und Talent allein reicht auch nirgends hin. Die Welt ist voll von talentierten Leuten, die nichts aus ihren Talenten gemacht haben (und entsprechend gefrustet sind in aller Regel). 




Ich habe mir jetzt mal die „Stilfibel“ und „Garantiert Schreiben lernen“ gekauft. Ich hoffe, dass dies der richtige Weg ist, mein „Werkzeug“ zu verbessern. Denken Sie, dass diese Bücher und viel Schreiben als Fundament reichen?

Sie sind selber in der IT-Branche, haben Sie gesagt. Erinneren Sie sich, wie man Programmieren lernt. Erst muß einem jemand zeigen, wie das mit Editor und Compiler so geht, dazu ein paar BASIC-Befehle, die was auf den Schirm bringen - das erste kleine Erfolgserlebnis. Das macht man ca. 10.000 mal, dann will man mehr, liest sich in Handbücher ein und probiert neue Befehle, usw. 


Also: ERST schreiben, DANN nachlesen. Man muß das, was man in solchen Büchern liest, immer mit eigenen Erfahrungen verbinden können. Man muß erst ins Wasser gehen, dann kann man Bücher übers Schwimmen lesen, nicht umgekehrt. 




Leider bin ich erst zwölf,aber habe richtig Lust auf Geschichten schreiben.Könnten Sie mir mal schreiben ,wie ich meinen Wortschatz verbessern könnte?

Dein Plan, Deinen Wortschatz zu erweitern, ist gut. Tatsächlich ist der Wortschatz für einen Schriftsteller das wichtigste Handwerkszeug. Und es ist auch nicht schwer - nur dranbleiben muß man. Wobei auch das eine wichtige Übung ist, denn das ist das Wichtigste, was ein Schriftsteller außerdem können muß: dranbleiben! Denn einen Roman zu schreiben, das ist, wenn man es noch nie gemacht hat, eine ganz schöne Strecke. Und eins ist klar: jemand mag so gut schreiben wie nur was - wenn er nicht dranbleiben kann, bis der Roman fertig ist, wird er es als Schriftsteller nie zu etwas bringen.

Nun aber zu der Übung:

Zunächst brauchst Du ein Vokabelheft, wie im Englischunterricht. Und einen Bleistift. Dann nimm Dir eines Deiner Lieblingsbücher vor. Fange an zu lesen, aber laß Dich nicht von der Geschichte gefangennehmen, sondern achte auf die Wörter. Suche nach Wörtern, die Du zwar VERSTEHST, die Du selber aber noch nie VERWENDET hast. Unterstreiche diese Wörter. (Wenn Du auf Wörter stößt, die Du nicht verstehst, schau in einem Wörterbuch oder Lexikon nach.) Immer wenn Du eine Seite fertig durchsucht hast, schreib die "erbeuteten" Wörter in das Vokabelheft, eins unter dem anderen. Und wenn Du eine Seite in Deinem Vokabelheft voll hast, ist genug gesucht für einen Tag.

Der nächste Schritt ist, daß Du versuchst, diese Wörter selber zu verwenden in dem, was Du schreibst. (Natürlich nur, wenn sie passen; nicht zwanghaft.) Immer, wenn Du ein erbeutetes Wort verwendest, machst Du ein Häkchen dahinter. Nach drei Häkchen "gehört" Dir das Wort.

Mach das, am besten jeden Tag. Wenn Du es mal vernachlässigst, fang wieder mit neuem Schwung an. Du wirst sehen, innerhalb weniger Monate hast Du einen Wortschatz, daß anderen Leuten die Ohren schlackern.

Wie funktioniert diese Übung eigentlich, wirst Du Dich fragen? Nun, ganz einfach. Jeder von uns erkennt viele Wörter, wenn er sie hört - das ist der sogenannte "passive Wortschatz". Aber die Zahl der Wörter, die man gewohnt ist, selber zu benutzen - der sogenannte "aktive Wortschatz" -, ist immer wesentlich kleiner. Manche Leute kommen da mit 2000 oder noch weniger Wörtern aus. Ganz klar, daß die sich nicht so präzise ausdrücken können, wie es ein Schriftsteller können muß. Wo man im Alltag einfach sagt "es ist kalt", da muß man in einem Roman genauer ausdrücken, wie es ist - frisch? kühl? fröstelig? frostig? klamm? feuchtkalt? eisig? starr? gefroren? winterlich? schneebedeckt? frostklirrend? usw. Nicht wahr, alle diese Wörter kennst Du - aber Du verwendest sie nicht alle. Das ist, was diese Übung bewirken soll - daß Wörter von Deinem passiven in den aktiven Wortschatz wechseln.

Noch ein Tip, weil ich Deine Mail gerade so sehe: Nach einem Punkt und nach einem Komma macht man immer ein Leerzeichen (DAVOR aber NICHT!). Am besten, Du gewöhnst Dir das gleich an, denn sonst sieht Dein Text unnötig unprofessionell aus.



Was halten Sie vom Literatur-Institut Leipzig? Kennen Sie leute, die dieses Studium absolviert haben?

Das Literatur-Institut kenne ich nur dem Namen nach, kann also nichts darüber sagen. Ich bin auch nicht der richtige Ansprechpartner für derartige Beurteilungen; da es meiner Beobachtung nach Schriftstellern eher schadet als nützt, sich an Universitäten aufzuhalten, bin ich verständlicherweise skeptisch.

Es ist, wenn man den Wunsch in sich spürt, zu schreiben und möglicherweise das Schreiben zum Hauptinhalt seines Lebens zu machen, verständlich, sich unsicher zu fühlen. Diese Unsicherheit bekämpfen zu wollen, indem man erst einmal lernt, wie man es richtig macht, ist ebenfalls verständlich. Nur lernt man das an Universitäten nicht. An Universitäten beschäftigt man sich damit, wie es ANDERE GEMACHT HABEN. Und das nützt einem nichts.

Es gibt gewisse, sozusagen handwerkliche Aspekte, die man erlernen kann; die Hauptarbeit ist aber, sich selber zu verändern (wozu man auch sagen könnte: zu wachsen). Der akademische Ansatz kennt diese Dimension jedoch nicht, ist furchtbar verwirrt, wenn dies irgendwo eine wichtige Rolle spielt, und versucht dann, durch noch mehr Theorie die Sache irgendwie in den Griff zu bekommen. Um mit einem Bild zu sprechen: Sie wollen schwimmen lernen und beginnen deswegen ein "Studium für lustvolles Schwimmen und Wassersportberichterstattung" an der Uni Irgendwo, sind froh, daß Sie aufgenommen wurden - und kämpfen sich dann durch Seminare über die Geschichte des Schwimmens, die Theorie der Schwimmstile, Chemie des Wassers, Strömungslehre, um im vierten Semester festzustellen, daß Sie noch nie im Wasser waren und dies im Studium auch nicht vorgesehen ist.

Um schreiben zu lernen, müssen Sie:

  1. es zunächst einfach tun,
  2. sich mit der Einsamkeit dabei abfinden (bzw. lernen, sie zu genießen),
  3. viel schreiben (mengenmäßig gesehen) und regelmäßig,
  4. Texte fertigstellen,
  5. Feedback suchen,
  6. lernen, was aus dem Feedback Neid ist, was unkritische Bewunderung des "Schriftstellers an sich", und was auf wirkliche Stärken und Schwächen hindeutet,
  7. unablässig das eigene Sinnesorgan für Schwächen im eigenen Text - aber auch für Stärken - trainieren,
  8. die Werke anderer Autoren daraufhin lesen, "wie die das machen", sie vielleicht eine Zeitlang bewußt(!) zu imitieren versuchen,
  9. viel schreiben (weil man alle 100.000 Worte ungefähr einen Entwicklungsschub erfährt),
  10. sich über grundlegende Dinge informieren wie Grammatik, Zeichensetzung, die Verlagsszene, Urheberrecht usw.
  11. ab und zu die Nähe von anderen Autoren suchen, um sich zu vergewissern, daß es das, was man anstrebt, wirklich gibt und
  12. sich darauf einstellen, daß es keine vorgezeichneten Laufbahnen und Wegweiser gibt, sondern jeder seinen eigenen Weg finden muß.


In Amerika sind sogenannte »Schreibkurse« ja der absolute Hit. Ist das in Deutschland denkbar? Oder ist Deutschland nur ein Land der Dichter und Denker, in dem das geistige Potential gilt, nicht das Handwerk?

Es muß wohl so sein. Aber das ist keine Einstellung, die ich teile. Ich habe in letzter Zeit ein paar Mal mit Schriftstellern gesprochen, die sich über mangelnden Erfolg beklagten, und ein kleines Teufelchen brachte mich auf die Idee zu fragen, was sie denn, bitteschön, für ihr Handwerk täten - was sie an Büchern über das Schreiben läsen oder dergleichen. Interessanterweise war die Antwort jedesmal, fast wortwörtlich, dieselbe. Ach, nein, davon hielten sie nichts; sie wollten sich nicht einengen lassen durch irgendwelche Regeln und Formeln, blah blah blah. Alles Bullshit. Talent ohne handwerkliche Grundlagen ist völlig wertlos. Würdest Du Dich operieren lassen von jemand, der das Talent zum Chirurgen, aber keine medizinische Ausbildung hat? Würdest Du Dein Auto reparieren lassen von jemand, der Talent hat, sich aber nicht durch die Gesetze der Physik einengen lassen möchte? Ein Schriftsteller hantiert mit Worten. Mit Worten kann man Religionen stiften, aber auch Kriege entfachen; Worte sind die gefährlichsten Dinge auf dieser Welt. Und ausgerechnet hier glaubt man, darauf verzichten zu können, von anderen zu lernen? Das ist absurd.

In Amerika gibt es so viele Creative Writing Kurse wie in Deutschland Fußballclubs. Deswegen gibt es in Amerika viele gute Schriftsteller, und in Deutschland viele gute Fußballspieler. Punkt.

Nachtrag:
 Das mit den guten Fußballspielern soll ja, sagt man mir, nicht mehr so richtig stimmen in Deutschland. Und vor einiger Zeit hat mir ein amerikanischer Autor gesagt, das mit den amerikanischen Creative Writing Kursen sei auch nicht mehr dasselbe wie früher... So läßt eben alles irgendwann nach!



Und auch im Kontakt mit vielen anderen Autoren (viele "Arbeiter" aus dem Heftromanbereich) kommt das Thema nur selten zur Sprache. Klar, keiner möchte zugeben, daß er selber noch immer was dazulernt.

Also, wenn mein Arzt mir sagt, daß er jetzt nicht mehr auf Seminare geht, weil er schon alles weiß, dann würde ich den Arzt wechseln... 
Ich finde, grade unter Autoren sollte das ein Thema sein.



Zum einen frage ich mich, ob man Bücher kennen muss, um welche schreiben zu können. Ich bin froh, wenn ich in meiner Freizeit Zeit die Möglichkeit finde zu schreiben. Muss ich mir die Zeit nehmen um zu lesen?

Ich denke, zunächst mal wird man nie auf die Idee kommen, Bücher zu schreiben, wenn man keine kennt. Ob man als Autor ein fleißiger Leser sein muß, darüber gehen die Meinungen auseinander. Stephen King sagt entschieden ja, aber von George Simenon (ein womöglich noch produktiverer Autor) weiß man, daß er selten das Buch eines anderen Autoren gelesen hat mit der Begründung: "Wenn es besser ist als meine, ärgere ich mich, und wenn es schlechter ist, warum sollte ich es dann lesen?"

Ich würde von mir sagen, daß ich nicht übermäßig viel lese. Ich fange viele Bücher an und lege sie beiseite, weil sie mich langweilen. Aber wenn ich etwas finde, das mich begeistert, dann lese ich es aus dem Grund, den ich für den besten und eigentlich allein gültigen Grund dafür halte, etwas zu lesen: weils Spaß macht.

Nachtrag: Inzwischen lese ich wesentlich mehr als zu der Zeit, als ich diese Antwort verfaßt habe. Warum? Ganz einfach: Wir haben keinen Fernseher mehr. Wow, hat man da auf einmal viel Zeit abends!
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Ich habe schon 2 große Storys und eine Kurzgeschichte (besser gesagt nur einen Teil davon) auf die Beine gestellt.

Nun sage ich erst mal was Häßliches: das ist noch nicht viel. Ehe einer Wurst verkaufen darf an der Theke, muß er drei Jahre lang jeden Tag acht Stunden lang eine Lehre machen. Das sind etwa 5.000 Stunden, in dieser Zeit kann man gut und gerne 10.000 Seiten schreiben. Sollte man das nicht als angemessene Lehrzeit für Schriftsteller betrachten? Die ersten 10.000 Seiten?

Und nun sage ich etwas Tröstliches: es gibt einen SICHEREN, ZUVERLÄSSIGEN und EINFACHEN Weg, die eigene Schreibe zu verbessern. Nämlich indem man schreibt, schreibt, schreibt! Es ist eine wenig bekannte Tatsache, daß man etwa alle 100.000 geschriebenen Worte einen Quantensprung macht. Bis dahin scheint sich nichts zu tun, aber dann, plötzlich, findet man sich auf einer neuen Ebene wieder und staunt beinahe über sich selbst. Ein amerikanischer Journalist hat dieses Phänomen in einem Artikel einmal erwähnt, und ich kann es aus meiner eigenen Erfahrung bestätigen.

Hunderttausend Worte sind natürlich nicht wenig. Das sind fast zwei durchschnittliche Romane.

Und danach geht es ja weiter. Zum nächsten Quantensprung.

Sind Sie nun entsetzt? Oder begeistert? Ich hoffe, letzteres. Denn ich habe Ihnen gerade den Weg beschrieben, den Sie gehen können, um Ihr Ziel zu erreichen.



Ist eine Ausbildung zum Schreiben, wie immer sie aussehen mag, nötig/hilfreich/sinnvoll? Natürlich gibt es immer Genies, die das nicht nötig haben. Aber gehen wir mal von einem 'durchschnittlichen' Autor aus.

Vergessen Sie das mit dem Genie. Das ist Käse. Deutsche Konditionierung. Goethe kam auf die Welt und konnte schon schreiben, klar. Oder? Mußte er es womöglich auch lernen? 
Es gibt Talent. Talent allein nützt überhaupt nichts ohne Ausbildung. Von daher ist klar, man braucht für alles eine Ausbildung, auch fürs Schreiben. Der Unterschied ist, daß manche Leute imstande sind, sich etwas autodidaktisch anzueignen und andere profitieren mehr, wenn sie es sich beibringen lassen. Als Schriftsteller hat man es leichter, wenn man zum autodidaktischen Typ gehört, aus dem einfachen Grund, daß es kaum Unterricht im Schriftstellern gibt.

Talent geht glücklicherweise meist einher mit Interesse (das stellte übrigens Goethe fest... :-). Sich trotz aller Widrigkeiten nicht vom Schreiben abbringen zu lassen, darf man also getrost als Zeichen gewissen Talents auslegen.

Eine interessante Anmerkung habe ich neulich irgendwo aufgeschnappt, zum Thema Talent und Ausbildung usw., ich weiß nicht mehr, wo. Jemand, der zuerst Journalist war und dann Romane schrieb, hatte nachgerechnet, wieviel er jeweils bis zu dem Moment geschrieben hatte, als er ersten Erfolg in dem entsprechenden Metier hatte - also als Journalist bzw. den ersten guten Roman verfertigt hatte. Interessanterweise waren es jeweils 100.000 Worte. Jeweils nach 100.000 Worten hatte er einen Durchbruch als Journalist gespürt, und nach 100.000 Worten Romantext war er imstande gewesen, den Roman anzufangen, der dann sein erster veröffentlichter war.

Er schlußfolgert, daß das Lehrgeld, um das Schreiben in einem bestimmten Gebiet zu erlernen, 100.000 Worte beträgt.



Ich bekomme keine richtige Kritik oder nicht die Kritik,die ich benötige... Ich glaube, meine Schulkollegen können gar keine neutrale Kritik abgeben, genauso wenig wie meine Eltern, Lehrer oder Bekannte... Weil sie mich kennen! Auch wenn sie es versuchen, können sie es nicht, denn es bringt mich nicht weiter, wenn z.B. eine gute Freundin sagt: "Deine Geschichte ist spannend." (Sie sagt diese Worte ohne Begeisterung... Da kann ich doch sowieso davon ausgehen, dass es nichts Weltbewegendes ist...)

Also, zumindest zu meiner Zeit war Begeisterung unter Jugendlichen eher selten. Wenn mir einer gesagt hat, "nicht schlecht", war ich schon zufrieden.

Ich habe damals Fortsetzungsgeschichten geschrieben. Das heißt, sie endeten immer an einer Stelle, die ich für spannend hielt, und wenn dann jemand das Heft (ich habe so geschrieben, daß ich Hefte im Format A5 draus machen konnte) zurückgab und sagte: "Hast du noch mehr?" oder "Wie geht es weiter?", dann wußte ich: Es IST spannend!

Das können Sie genauso machen, wenn Sie wollen. Bei der Methode kann Ihnen auch niemand was vorlügen. Wer sagt "ist spannend" und dann nicht weiterlesen will, der findet's nicht wirklich spannend. Und umgekehrt. (Das ist wie beim Essen. "Hmm, schmeckt gut!" - "Willst du noch?" - "Ähm, nein." - Dann schmeckt es wohl doch nicht...)



Ich habe einen vierteiligen Fernkurs angeboten bekommen, den man zu Hause in Angriff nimmt, und der dann angeblich betreut wird. Wie denken Sie darüber? Glauben Sie, dass ein Fernkurs handwerklich überhaupt etwas bringt?

Grundsätzlich kann einem ein Fernkurs schon etwas bringen; wichtig ist allerdings dabei, daß man dazu angeregt wird, viel selber zu schreiben, auf das man dann von einem persönlichen Betreuer fachliche Rückmeldung erhält, quasi ein Lektorat. Durchaus empfehlenswert sind etwa die Fernkurse der Axel Andersson Akademie in Hamburg.

Was mich stutzig macht, ist: VIERteilig? Das kommt mir ein bißchen vor wie "Arzt in 3 Semestern" und läßt mich vermuten, daß man da nur ein Buch in vier Teilen zugeschickt bekommen soll. Fragen Sie, ehe Sie sich anmelden, nach, wie es mit einem Rücktrittsrecht steht (da gibt es genaue gesetzliche Vorschriften) und ob der Kurs von der Zulassungsstelle für Fernunterrückt (ZfS) genehmigt ist, und wenn ja, unter welcher Nummer. Das würde ich dann dort auch noch mal checken. 




Sie erwähnen, dass viele Leute Kurzgeschichten schreiben. Dabei lernt man aber nicht, die Ausdauer zu entwickeln, die man benötigt, um auch längere Geschichten zu vollenden. Heißt das, dass man wirklich von Anfang an nur richtig große Geschichten schreiben soll?

Das mit der Ausdauer stimmt schon, aber - eins nach dem anderen. Ein Baby fängt auch nicht mit Marathonläufen an, sondern erst mal damit, zu lernen, ÜBERHAUPT aufrecht zu stehen und die ersten Schritte zu machen, ohne sich festzuhalten. 




Was halten Sie von Literaturforen im Internet? Ich habe einen Roman geschrieben und bin jetzt zeitweise dazu übergangen, ein paar Kurzgeschichten zu schreiben. Ich stelle diese oft in Foren für Kurzgeschichten ein, um schnelle Kritik zu erhalten. Allerdings ist es seltsam, dass ich für eine und dieselbe Geschichte oft völlig unterschiedliche Kritiken bekomme. Einer findet sie spannend, der andere wieder völlig langweilig. Manche hacken auf dem Erzählstil rum, andere hängen sich an Rechtschreibfehlern auf. Was halten sie für den besten Weg, um vernünftige Kritiken zu bekommen?

Wenn Sie die Kritiken z.B. bei AMAZON lesen, dann werden Sie feststellen, daß es unmöglich ist, etwas zu schreiben, das ALLEN gefällt. Manche Leute sind auch nur darauf aus, die Werke anderer schlechtzumachen aus Gründen, die mit den Werken gar nichts zu tun haben - Neid, Frust, usw.

Also: Es gibt nicht nur unterschiedlich gute Schreiber, es gibt auch unterschiedlich gute LESER. Um vernünftige Kritiken zu bekommen, brauchen Sie Kontakt zu guten Lesern. Sprich: Sie müssen die Leser voneinander unterscheiden können und ein bißchen was über sie wissen. In Foren, in denen jeder Dahergesurfte seinen Senf ablassen kann, ist das nicht gegeben. Besser sind geschlossene Foren oder Email-Zirkel. Es muß (ich weiß es nur vom Hörensagen) einige Internet-Schreibgruppen geben, die als Zulassungsvoraussetzung fordern, mindestens eine Story vorzulegen - und dann gibt es noch einen Forums-Meister, der Störenfriede gnadenlos rauskickt. Auf diese Weise sind Schreibende unter sich, und das ist für den Anfang zunächst mal das beste Biotop.

Wenn ich nach solchen Foren suchen würde, würde ich z.B. bei www.autorenforum.de beginnen, die Links zu allem möglichen haben. (Schreiben Sie mir, wenn Sie was Gescheites gefunden haben; mir schwant, daß das ein Thema auch für meine Homepage sein könnte!)



Sie raten, Schreibzirkeln beizutreten oder selber zu gründen. Ich wohne hier ziemlich abgelegen und habe deshalb versucht, einen solchen Zirkel im Internet zu installieren (wie es viele andere auch tun). Meine Frage ist: Kann man das von der Wirkung her miteinander vergleichen? Sind die Ergebnisse ähnlich oder sind sie eher vom jeweiligen Menschentyp unterschiedlich?

Keine Ahnung; mit Schreibzirkeln im Internet kenne ich mich nicht aus. Ich würde tippen, daß einer solchen Runde das Zwischenmenschliche etwas abgeht, das persönliche Begegnungen ausmacht, dafür gibt es keine Terminprobleme ("och, nee du, am 14. kann ich nicht") und es genügt nicht, das Gesicht zu verziehen, man muß detailliert hinschreiben, was einem an einem Text nicht gefällt. Ob ein Internetschreibzirkel besser ist als ein real-world-Schreibzirkel, weiß ich nicht, aber besser als nichts ist er bestimmt. Übrigens gibt es schon jede Menge solcher "Werkstätten", da brauchen Sie nicht bei Null anzufangen.



Man soll bekanntlich viel lesen, um seinen eigenen Stil zu finden. Nun lese ich aber nicht gerade viel, habe aber dennoch das Gefühl, gut schreiben zu können und einen individuellen Stil zu haben. Heißt das also, dass man nicht unbedingt viel lesen muss, um gut schreiben zu können, oder ist es eine Voraussetzung?

Wie würden Sie das finden, wenn Michael Schumacher in einem Interview bekennt: "Ich gucke eigentlich so gut wie nie Autorennen an, weder im Fernsehen noch live." Oder wenn Michael Ballack sagt: "Wozu soll ich zusehen, wie andere Leute Fußball spielen?" Oder Tom Cruise gesteht: "Ich gehe so gut wie nie ins Kino, und Fernsehen gucke ich auch kaum, und wenn, dann keine Spielfilme." Fänden Sie das nicht ÄUSSERST MERKWÜRDIG?

Und genauso merkwürdig ist es, wenn einer schreiben will, aber nicht liest. 




Ist es sinnvoll, zunächst, um in Übung zu kommen, mehrere Kurzgeschichten zu schreiben und erst, wenn sich der Schreibstil dadurch gefestigt hat einen Roman in Angriff zu nehmen? Oder ist das völlig egal, solange man einfach nur schreibt?

Richtig, das ist völlig egal, solange man einfach nur schreibt.

Sie sollten auch nicht das eine als Vorbereitung für das andere sehen. Kurzgeschichten und Romane stellen ganz unterschiedliche Anforderungen an den Autor. Es gibt Autoren, die ohne viel Federlesens einen Fünfhundertseiten-Schmöker herunterschreiben, aber keine brauchbare Kurzgeschichte zuwege bringen, und andere, bei denen es umgekehrt ist.

Der Vorteil der Kurzgeschichte ist, daß man relativ rasch ein Erfolgserlebnis hat, weil man relativ rasch zu einem kompletten Text gelangt, den man lesen, lesen lassen, vorlesen usw. kann. Ein Roman, das ist immer ein Langzeitprojekt - auf der anderen Seite kann einen ein Roman manchmal auch "tragen", wenn die Handlung erst mal in Fluß gekommen ist.

Also, kurzum: Schreiben Sie einfach erst mal, wozu Sie LUST haben! Das ist ein Aspekt, der viel zu häufig vergessen wird - daß einem das Schreiben AN SICH Spaß machen muß, nicht das "geschrieben-haben". Wenn einem das Schreiben an sich keinen Spaß macht, sollte man es lassen.



Was lernt man eigentlich bei einem Studium "Schriftsteller"? Habe gehört, man kann darin sein Diplom machen!

Und was machen Sie dann mit so einem Diplom? Das können Sie sich ins Klo hängen; einen Verlag beeindrucken Sie damit jedenfalls nicht.

Es mag sein, daß man in einem solchen Studium etwas lernt, das einem hilft. Das müssen Sie selber beurteilen. (Ich persönlich bezweifle es.) Doch lassen Sie sich bitte nicht blenden von irgendwelchen Diplomen oder anderen Abschlüssen. Sowas gibt es in der Schriftstellerei nicht. Hier zählt - Gott im Himmel sei Dank für diese letzte Bastion wirklichen Marktes - einzig und allein, ob Sie schreiben können bzw. ob das, was Sie schreiben, jemandem gefällt.



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