Wie man auf Ideen kommt und wie man damit umgeht


"Wo nehmen Sie bloß Ihre Ideen her?" ist die mit Abstand häufigste Frage, die Autoren gestellt bekommen. Darin offenbart sich ein fundamentales Mißverständnis. Ein Autor sucht Zeit zum Schreiben, einen guten Verlag, Leser, Geld zum Leben - aber er sucht keine Ideen. Ideen hat jeder Autor, den ich kenne, mehr als genug. Sie kommen zu einem, von selbst. Man muß sie nur entgegennehmen.

Das tun bloß die wenigsten.



Und jetzt die Frage, die wohl kaum ein Autor beantworten kann, die aber trotzdem immer wieder gestellt wird: Woher nehmen Sie Ihre Ideen?

Ich kann diese Frage schon beantworten. Leicht sogar. Ideen bekommt man nämlich von überall her. Nichts ist einfacher, als Ideen zu bekommen. Wir sind umgeben davon, sie umschwirren uns wie Staub. Alles, was ich anders mache als andere, ist, achtsam zu sein dafür. Wenn mir eine Idee kommt, notiere ich sie. So sammeln sich Massen von Ideen an, und man kann es sich leisten, nur die besten zu realisieren. Wenn man Ideen nicht aufschreibt, vergißt man sie wieder, und dann beklagt man sich, man hätte keine Ideen. So einfach ist das. 




Es ist so, daß ich schon oft darüber nachgedacht habe, einen eigenen Roman zu schreiben. Es gibt nur ein großes Problem: Ich habe keine Ideen. Woher, um alles in der Welt, nehmen Sie Ihre Ideen?

Ich entnehme meine Ideen meinen Notizbüchern, die ich in den verschiedensten Größen und Ausführungen permanent mit mir herumschleppe - und dort finde ich meine Ideen, weil ich sie notiert habe in dem Moment, in dem sie mir eingefallen sind. Ich blättere diese Notizbücher immer wieder durch, wobei ich nicht selten Ideen ZU anderen Ideen bekomme - so bilden sich nach und nach die Grundideen für Romane heraus. 


Meiner Beobachtung nach gibt es keine Menschen ohne Ideen. Jeder hat Ideen, die meisten vergessen sie nur gleich wieder und machen nichts daraus. Mit Ideen umzugehen muß man erlernen. Folgendes sollten Sie ausprobieren:

  1. Kaufen Sie sich ein kleines, hübsches Notizbuch mit vielen verlockend leeren Seiten.
  2. Tragen Sie es immer bei sich, dazu einen Kugelschreiber, beides griffbereit.
  3. Schreiben Sie, wann immer Ihnen ein Gedanke durch den Kopf geht, der einer Idee zumindest entfernt ähnelt, selbigen sofort auf. Egal, ob er gut oder schlecht ist, originell oder trivial - Masse zählt. Wer viele Ideen hat, hat auch mal eine gute. (Jetzt kennen Sie mein Geheimnis.)
  4. Das müssen nicht nur Ideen für Romane sein. Notieren Sie auch Fragen ("Soll ich den Job bei XY annehmen?" "Wie könnte ich Z dazu bringen, mit mir auszugehen?"), spinnen Sie herum ("der Typ da drüben sieht aus wie ein russischer Geheimagent. Vielleicht hat er Plutonium in seiner Tasche?"), beobachten Sie ("das Gerichtsgebäude ist in derselben Farbe gestrichen wie die Garage von Tante Hermine"). Hauptsache: Sie kritzeln herum. Womöglich macht es sogar Spaß. (Sollten Sie sich allerdings gar nicht damit anfreunden können, Gedanken schriftlich festzuhalten, sollten Sie das mit der Schriftstellerei jedoch tatsächlich ad acta legen.)
  5. Nutzen Sie jede Wartezeit (Straßenbahn, Arztpraxis usw.), um darin zu blättern. Sie werden erstaunt sein, an wie viele Gedanken Sie sich überhaupt nicht mehr erinnern! Und das, obwohl es mitunter erst eine Woche her ist. (Ach ja: kein Fehler, sich anzugewöhnen, das Datum zu notieren.) Und Sie werden von manchen Ideen, Fragen usw. zu weiteren Gedanken angeregt... Das nennt man "Schreibdenken", und in der geschilderten Weise erlernt man es.

Sicherlich haben unterschiedliche Menschen unterschiedlich viele und unterschiedlich gute Ideen. Das nennt man bekanntlich Kreativität. Es scheint so zu sein, daß sehr kreative Menschen oft ein sehr schlechtes Gedächtnis haben - und umgekehrt, als schlössen sich diese beiden Fähigkeiten zum Teil aus. (Wenn Sie also wirklich GAR KEINE Ideen haben sollten, können Sie es womöglich als Gedächtniskünstler zu Weltruhm bringen?!) 


Dann kann es natürlich sein, daß Sie allerhand Ideen haben, aber keine davon sich auf einen Roman bezieht. Dann sollten Sie sich auch nicht grämen. Falls Sie ein neues Krebsmittel erfinden, eine neue mathematische Theorie, einen tollen Werbeslogan oder eine Methode, Kondensmilch so zu verpacken, daß sie beim Aufmachen nicht spritzt, wäre das genauso toll. Wenn nicht toller. 




Wie findet man ein Thema, über das man schreiben kann ?

Keine Ahnung, darüber mußte ich mir nie Gedanken machen. Denn die Themen finden MICH, nicht umgekehrt. 




Mein Problem: ich habe keine Phantasie, also ich kann nur über das schreiben, was ich erlebt habe. Ich schreibe also über mein Leben hier in unserem Dorf und muß das gewissermaßen undercover tun - oder? Was mus ich beachten? Mir ist klar, daß ich Ortnamen, Straßen u. Personennamen verändern muß. Die Charaktere zu verändern macht keinen Sinn, weil gerade darin der kleinbürgerlich-piefige und unfreiwillig komische Reiz der Geschichte liegt.

Diese Art des Schreibens - gewissermaßen als "Chronist" - ist durchaus auch altehrwürdig und achtsam; man muß nicht alles erfinden als Schreiber. Wie es rechtlich genau aussieht, müßten Sie einen Rechtsanwalt fragen, ich kann Ihnen nur sagen, was ich weiß, nämlich: Wenn Sie etwas schildern, das sich tatsächlich so zugetragen hat, dann ist das in Ordnung, solange es nichts Ehrenrühriges (etwa, indem Sie die heimliche Affäre einer Bekannten ans Licht zerren) ist. Was man nicht tun darf - das betrifft Romanschriftsteller - ist, jemanden, den es tatsächlich gibt, so zu schildern, daß er im Roman erkennbar ist, und ihm dann irgendwas anzudichten, z.B. daß er einen Bankraub begangen hat oder jemanden umgebracht o.dgl. 




Lassen Sie auch persönlich Erlebtes in Ihre Geschichten einfließen? Ich schreibe gerne Kurzgeschichten und habe bemerkt, dass es bei den Lesern sehr gut ankommt, wenn man etwas schreibt, womit man sich identifizieren kann. Im Anhang schicke ich ihnen eine meiner Kurzgeschichten mit, die mir sehr am Herzen liegt. Sie ist tatsächlich passiert und hat deshalb einen sehr persönlichen Wert für mich.

Natürlich fließt persönlich Erlebtes in meine Geschichten ein, das ist bei jedem Autor so. Allerdings ist das eher in dem Sinn zu verstehen, daß man z.B. nicht überzeugend schildern kann, wie jemand eifersüchtig ist, wenn man es selber nie war. Oder, eine Szene spielt in einer heißen, ausgestorben daliegenden Stadt: da mag es hilfreich sein, wenn man mal im August in Spanien eine verunglückte Stadtbesichtigung bei brüllender Hitze erlebt hat und sich erinnern kann, wie das war. Diese Art von persönlichem Erleben befähigt einen, mit den nötigen sinnlichen Details usw. zu schreiben, was im allgemeinen dazu beiträgt, daß eine Schilderung eindrücklich wird.


Daß etwas, das man schildert, sich so tatsächlich ereignet hat, ist dagegen kein Wert an sich. Es ist für eine Geschichte sogar, möchte ich sagen, belanglos. Denn eine Geschichte lebt davon, auf SYMBOLISCHER Ebene bedeutsam zu sein, und das sind reale Begebenheiten selten. Oder, anders ausgedrückt: Das Leben kann sich alles erlauben, ein Schriftsteller dagegen nicht. 


Natürlich gibt es auch das Gebiet des Dokumentarischen, des Journalismus, des Tagebuchs usw., wo es darum geht, die Wirklichkeit abzubilden. Aber das ist etwas anderes. Der Schriftsteller im engeren Sinne ist meiner Auffassung nach geradezu verpflichtet, zu erfinden und bei der Wirklichkeit nur die Anleihen zu machen, die nötig sind, um das, was er erfunden hat, so wirken zu lassen, als sei es eben NICHT erfunden. 




Als ich anfing, Geschichten aufzuschreiben, die mir im Kopf rumgingen, dachte ich jedesmal: "Da fällt dir doch nie was dazu ein." Denn ich hatte zwar immer einen groben Handlungsverlauf, aber die Schwierigkeit liegt ja bekanntlich im Detail. Dann habe ich gemerkt, dass einem sehr wohl was einfällt - sogar sehr viel, wenn man es drauf anlegt und das ist etwas, das mich manchmal immer noch überrascht und überrollt.

Es ist ein Mythos, daß es so etwas wie einen Mangel an Ideen gäbe. Es gibt nur einen falschen Umgang mit Ideen und Kreativität. 




Immer wenn ich irgendwo bin, sei es beim Fortgehen, etc., fallen mir neue Ideen ein, aber ich schreibe sie nie nieder! Was kann ich tun?

Tja. Was fragen Sie mich? Sie wissen die Antwort doch schon! Alles, was Sie tun müssen, ist, es zu tun!


Mein Vorschlag: Kaufen Sie sich (gleich heute! jetzt sofort!!) ein kleines Notizbüchlein, vielleicht so postkartengroß oder noch kleiner, dazu einen kleinen Kugelschreiber, und beides tragen Sie ab sofort immer mit sich herum - genau wie Ihren Geldbeutel und Ihren Hausschlüssel. Und immer, wenn Ihnen was einfällt, kritzeln Sie's auf. Und wenn Sie mal irgendwo herumstehen oder Wartezeit haben (Bushaltestelle, Wartezimmer beim Arzt, etc.) ziehen Sie es vor und schreiben auf, was Ihnen gerade so einfällt. Beschreiben Ihre Umwelt, Ihre Mitmenschen usw. 


Klingt das wie ein guter Anfang?



Mir gehen seit Jahren einige Ideen nicht aus dem Kopf, die man sehr gut in einem Buch verarbeiten könnte. Vielleicht sagen Sie sich, das es doch nicht schaden kann, sich einmal anzuhören, was mir durch den Kopf geht?

So leid es mir tut, aber es könnte durchaus schaden, das zu tun. Ich will Ihnen auch erklären, warum. Angenommen, Sie erzählen mir von einer Idee, die ich selber so ähnlich auch schon hatte. Ich sage, nein danke, nichts für mich dabei, und bringe zwei Jahre später einen Roman heraus, der zwar auf meiner Idee beruht, die aber so ähnlich war wie Ihre. Was nun? Vielleicht freuen Sie sich sogar. Zuerst. Aber inzwischen haben Sie diese sympathische, wenn auch etwas rabiate junge Rechtsanwältin kennengelernt. Mein Buch klettert gerade die Bestsellerliste hoch (stille Hoffnung, die man immer hat), Sie erzählen ihr, "war eigentlich meine Idee", und sie sagt: "Was?! Wahnsinn!! Verklag' ihn! Du hast Anspruch auf einen Teil seiner Tantiemen!!" Und schon habe ich eine Klage am Hals, stehe womöglich in der Öffentlichkeit als Plagiator da.


Unwahrscheinlich? Keineswegs. Ideen liegen oft in der Luft. Ich war einmal in der Jury eines Storywettbewerbs, als ich eine - im übrigen schlechte - Geschichte zu lesen bekam, die auf einer Idee beruhte, aus der ich eigentlich einen Roman machen wollte. Das kann ich natürlich nun nicht mehr, weil der Betreffende denken würde, ich hätte ihm die Idee geklaut. (Seither lehne ich alle Angebote, an Jurys teilzunehmen, kategorisch ab.) 
Denn das ist ein Dilemma, dem ich nur entgehen kann, indem ich es vermeide, mir unveröffentlichte Ideen anderer anzuhören. Deswegen: Nein, danke. Wenn ich Ihnen erlaube, mir Ihre Ideen zu erzählen, riskiere ich, daß Sie MEINE Ideen damit vernichten.

Wenn Sie Ihre Ideen loswerden wollen, sollten Sie sich an Filmproduzenten wenden. Die klauen gern und bereitwillig und schwören später Stein & Bein, daß ihnen die Idee selber eingefallen ist. So jemandem erzählen Sie eine Idee, er sagt "Klasse, da machen wir was zusammen", und ein Jahr später kommt der Film in Kino/TV, und im Making Of dazu erzählt der Produzent eine herzerwärmende Geschichte darüber, wie ihm die Idee zu diesem Film kam (beim Duschen/Frühstück/Spaziergang etc.). Legende? Ich weiß nicht, aber das so etwas alle Tage vorkommt, hat mir eine glaubwürdige Quelle aus der Filmwelt berichtet.

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Ich habe meinen ersten Roman fertig. Was nun? War das jetzt alles? Habe ich genug Phantasie, um noch ein weiteres Buch schreiben zu können?

Das Problem liegt in der Frage selbst. Fragen richten unsere Aufmerksamkeit, und falsche Fragen richten unsere Aufmerksamkeit in falsche Richtungen. Das ist so ähnlich wie bei den gelegentlichen Erfahrungen von Impotenz, die jeder Mann von Zeit zu Zeit macht: Sobald mann anfängt, darüber nachzudenken, ob "es" wohl gehen wird - geht es nicht. Wie gesagt, die Frage selbst ist das Problem. Denn es geht ja nicht darum, ob "es geht", sondern um die Lust. 


So stellt sich auch nicht wirklich die Frage, ob Sie ein weiteres Buch schreiben können - ob "es nochmal geht". Entspannen Sie. Spielen Sie mit Ideen, schreiben Sie Briefe, Tagebuch, Skizzen... bis eines Tages wieder eine Idee für eine Geschichte so von Ihnen Besitz ergreift, daß Sie sich an den nächsten Roman setzen, vielleicht sogar ohne daran zu denken, daß Sie sich einmal Sorgen gemacht haben. 




Für Ideen und vor allem für längere Handlungsstränge brauche ich mehr Denkarbeit.

Das ist tatsächlich so. Die absolute Zeit, die man an einem Roman z.B. sitzt, ist vergleichsweise gering. Sagen wir, 300 Stunden. Trotzdem braucht man ein ganzes Jahr dafür oder länger, warum? Weil man in der restlichen Zeit denkt. Der Roman nimmt von einem Besitz, füllt einen bis in die letzte Faser, und das Schreiben ist das Austreiben des Dämons. Man schreibt einen Roman nicht einfach - er entsteht durch einen. Es ist ein Prozeß, dem man sich sich regelrecht ausliefern muß. 


Sie kennen sicher dieses Gefühl... man hat eine Idee im Kopf und man fühlt sich gleichzeitig so klein und unfähig, um sie zum Leben zu erwecken...

Es hat ja auch niemand behauptet, daß es leicht wäre. Manche Dinge macht man gerade weil sie nicht leicht sind. Den Mount Everest zu besteigen, beispielsweise. Wenn's eine Rolltreppe zum Gipfel gäbe, wäre es nicht mehr dasselbe, oder? 




Zum Fachwissen: ich habe eigentlich das Gefühl, nur darüber etwas schreiben zu können, wo ich bereits ein ziemliches Hintergrundwissen habe. Kann durchaus sein, daß das hinderlich für die Phantasie ist.

Nein. "Neues entsteht nicht aus der Unkenntnis des Vorhandenen" war ein gängiger Spruch an der Stuttgartere Kunstakademie. Im Gegenteil, gerade das Fachwissen bietet den Nährboden für Phantasie. Phantasie ist unabhängig vom Wissen, das ist die Fähigkeit, mit den Elementen, die man hat, herumzuspielen auf der Suche nach neuartigen, aufregenden, ungewöhnlichen usw. Kombinationen. 




Wie selbstkritisch stehen Sie Ihren eigenen Ideen gegenüber, bevor Sie mit einer neuen Geschichte beginnen?

Überhaupt nicht. Ich liebe alle meine Ideen - wähle allerdings immer die aus, die ich für die originellsten halte. 




Wieviele Ideen verwerfen Sie, bevor Sie sich für eine entscheiden und dann ein Buch schreiben?

Ich verwerfe eigentlich nie eine Idee. Sie bleibt allenfalls einfach ungenutzt in meinen Notizbüchern stehen. Das läuft so, daß unter den Ideen, die ich mir notiert habe, immer einige sind, die sozusagen "Fleisch ansetzen", zu denen mir also zusätzliche Gedanken kommen, wie man sie umsetzen könnte. Ich suche mir meistens unter vier bis fünf solcher "heranreifenden" Ideen eine aus, der ich mich dann mit dem Vorsatz, einen Roman daraus zu machen, widme. 




Mir geht schon seit Jahren eine Idee für ein Buch im Kopf herum und ich weis das ich dieses Buch niemals schreiben werde, weil ich absolut kein Talent habe. Es wäre aber interessant zu erfahren ob ein deutscher Schriftsteller an einer solchen Idee interessiert wäre, oder ob er genügend Projekte in der Schublade hat, um damit die nächsten 200 Jahre den Büchermarkt zu versorgen?

So ist es. Das Problem ist nicht, genug Ideen zu haben, sondern lange genug zu leben und schnell genug zu schreiben, um die Ideen, die da sind, umzusetzen. 




Ich habe so viele interessante Szenenentwürfe, Einfälle, Ideen, Möglichkeiten und finde es schwierig, herauszufinden, was für zum Beispiel der beste, interessanteste oder was-auch-immer Handlungsverlauf ist. Von vielen heiß geliebten Ideen muss man sich trennen, sie in den Ordner "Werde ich später in einem anderen Buch verwenden - Ehrenwort " legen. Und das schmerzt!

Muß das schmerzen? Ich denke nicht. Ich habe ein dickes Ringbuch voller solcher Dinge - Szenen, Figuren, Grundideen zu Romanen, zu Anfängen, zu Enden usw. - und das kommt mir vor wie ein Garten, in den ich immer wieder mal gehen kann, um zu schauen, was jetzt reif ist, was noch Zeit braucht, was ich brauchen kann, wo ich ein wenig Unkraut wegrupfen muß usw. In diesem Garten hole ich mir die Zutaten, die ich brauche, um einen leckeren Roman zu kochen - und es ist doch toll, wenn man etwas geschrieben hat, das man zwar nicht aktuell brauchen, aber in diesen Garten umtopfen kann, oder? 




Mir geht es so, dass ich unzählige (teilweise auch gute) Ideen für mögliche Geschichten wieder verworfen habe, weil es "so etwas in dieser Art schon gibt".

Wenn Sie dieses Kriterium weit genug anlegen, können Sie überhaupt nichts mehr schreiben. Eine Geschichte mit einem Helden, der etwas erlebt, das ihn verändert? Gab's auch schon. 




Ich habe seit einiger Zeit auch eine sehr interessante Idee über eine Story, die in etwa in die Schiene Ihres "Jesus Video" einzuordnen ist, ich nenne das einfach mal "Teil-Sience-Fiction", also ein gegenwärtiges vorstellbares Szenario, mit dem Hauch von Science-Fiction. Mich würde nur interessieren ob Sie eventuell wissen, wo man sich da hinwenden könnte, wer kann einem da Unterstützung geben, das Thema auf Papier zu bringen?

In meinem - möglicherweise etwas schlichten - Weltverständnis ist es so, daß Ideen für Bücher zu dem kommen, von dem sie geschrieben sein wollen. 


Allenfalls wäre vorstellbar, daß Sie jemanden kennenlernen, der zwar schreiben kann, aber dem es Themen fehlt (allerdings kenne ich niemanden, bei dem das so ist; die meisten Schriftsteller haben mehr Ideen, als sie brauchen können), und mit dem zusammen Sie das dann umsetzen. Oder Sie suchen von vornherein einen Schreibkumpanen, und eventuell wird aus Ihrer Idee und seinen Ideen war ganz anderes. Mir persönlich liegt Co-Autorenschaft nicht, aber es gibt ja Beispiele, wo es funktioniert, Preston/Child etwa. 




Der Roman, der mir gerade vorschwebt, soll eine Abenteuergeschichte für Kinder werden. Der Held ist ein zwölf- oder dreizehnjähriger Junge, der in einem Internat lebt. Und jetzt habe ich gewisse Zweifel an der Idee, weil alleine das Stichwort "Internat" viele schon an Harry Potter erinnern könnte.
Wenn Sie das denken, haben Sie zu wenig Kinderbücher gelesen. Der "Internatsroman" ist eine feste Kategorie unter den Jugendromanen und beispielsweise von Autorinnen wie Enid Blyton zum Exzeß mit Leben erfüllt - "Hanni und Nanni" und so weiter. Fragen Sie mal eine Buchhändlerin nach Jugendromanen, die in Internaten spielen: Sie wird Ihnen ganze Regale davon zeigen.


Auch Joanne K. Rowling bedient sich der standardisierten Elemente aus diesem Subgenre - nur tut sie es eben auf neue, eigene Weise. Und das ist, was Sie auch tun müssen. Wenn Sie nach der GANZ NEUEN NIE DAGEWESENEN IDEE suchen, werden Sie sie entweder nicht finden oder aber Sie finden etwas, mit dem kein Mensch etwas anfangen kann. So, als versuchten Sie als Musiker, NEUE TÖNE zu finden, anstatt aus den 12, die es gibt, hörenswerte Musik zu machen. 




Wenn Sie eine Idee für einen Roman haben, prüfen Sie dann, ob es etwas Vergleichbares schon gibt? Ich möchte betonen: Es geht nur um die Idee, nicht um die Handlung!

Also, schauen wir mal. "Solarstation" - ist im Prinzip "Stirb langsam I", nur in der Erdumlaufbahn. "Jesus Video" - Zeitreisegeschichten in die Zeit Jesu gibt's dutzendweise. "Das Marsprojekt" - sind Enid Blytons "Fünf Freunde", nur auf dem Mars angesiedelt. Sie sehen, ich mache mir da keine großen Sorgen.


Manchmal sagt mir jemand, "alle Geschichten, die es geben kann, sind schon geschrieben". Quatsch, sage ich. Das ist ungefähr so, als würde man sagen, "alle Leben sind schon einmal gelebt worden". Ja, stimmt - und stimmt auch wieder nicht, denn jeder erlebt sein Leben als ganz einzigartig. Und darauf kommt es an - einen ganz einzigartigen Roman zu schreiben. Ob die Grundidee originell ist, ist dabei so ziemlich das Unwichtigste. Junge trifft Mädchen - aus dieser "Idee" kann banaler Quatsch werden oder ganz bewegende, große Kunst. DAS hängt davon ab, WIE Sie schreiben! (Selbst Goethes "Faust" beruht auf einem Stoff, den es schon gab - und der HIESS sogar schon so!) 




Wie vermeidet man die ständigen Zweifel an den eigenen Ideen? Es gibt doch nichts vollkommen Neues mehr, ist nicht alles eine Frage der Umsetzung?

Ja und nein. Es stimmt in dem Sinne, wie es kein wirklich neues Leben gibt - jeder Mensch lebt im Großen und Ganzen dasselbe Leben wie alle anderen: Geburt, Kindheit, Erwachsensein, Alter, Tod. Und doch ist kein Leben wie das andere.


Also seien Sie nicht so anspruchsvoll. Sie müssen nichts vollkommen Neues schreiben. Wenn Sie etwas RICHTIG GUTES schreiben, reicht das vollauf. Sogar etwas ZIEMLICH GUTES reicht schon. 




Mich treibt eine Story um, die ich aber nicht vernünftig formuliert oder gefasst bekomme. Ich würde diese gerne anreißen und Ihnen zuschicken, mit der Bitte um Prüfung, ob sie sich als Grundlage für einen Roman oder etwas anderes eignet. Ich würde auch unterschreiben auf jegliche Rechte zu verzichten.

Danke, aber lieber nicht. Nicht nur, daß ich keinen Mangel an eigenen Ideen habe, wäre es auch so, daß ich kein gutes Gefühl dabei hätte, eine Idee zu verwerten, die nicht mir selber eingefallen ist. 


Wenn Sie Ihre Idee unbedingt loswerden wollen, dann versuchen Sie es doch mal bei Drehbuchschreibern oder Filmproduzenten. Die sind sozusagen geübter, aus fremder Leute Ideen etwas zu machen... (böse Zungen sagen auch, "die klauen gerne"). 




Wie kann ich mir aber dabei sicher sein, dass mir die Story dann nicht "gestohlen" wird, also behauptet wird, das sei nichts und ein anderer die Geschichte dann umsetzt?

Überhaupt nicht. Das macht es ja so schwierig. Und es ist manchmal - bei wirklich "heißen" Ideen - nicht einmal nötig, daß jemand die ganze Geschichte klaut; es reicht schon, wenn er sich von Ihrer Idee inspirieren läßt. Nehmen Sie "Jurassic Park" - falls jemand vor Michael Crichton ein Buch herausgebracht hätte, das ebenfalls auf der schlichten Idee "Dinosaurier klonen aus dem Blut von in Bernstein eingeschlossenen Stechmücken" basiert hätte, wäre es ein Erfolg geworden, und Crichton hätte mit seinem Buch alt ausgesehen. 




Diese Skrupel sind vielleicht lächerlich. Aber irgendwie hat eine Idee, die ich in einem anderen Buch schon einmal gelesen habe, vor meinem inneren Ideenwächter keine Chance.

Ist grundsätzlich in Ordnung, nur sollten Sie den Ideenwächter eine Stufe leiser schalten. Wenn Sie nicht NOCH einen Roman schreiben, in dem ein Zauberlehrling die Hauptfigur ist, dann ist das schon begrüßenswert. Wenn Sie aber eine tolle Idee für einen Science Fiction-Roman haben, die Sie verwerfen, nur weil es schon Romane gibt, in denen Leute in Raumschiffen herumfliegen, dann ist Ihr Ideenwächter ("Zensor" besser gesagt) zu streng. 




Kennen Sie die Methode des Mindmappings? Dazu gibt es eine Software, Mindmap, die Sie vielleicht auf Ihrer Homepage empfehlen sollten.

Danke für den Tipp, aber ich persönlich finde es viel zu umständlich, für Cluster oder Mindmaps (natürlich kenne ich die Methode) eine Software zu verwenden. Man muß nicht alles mit Computern machen. Ich mache meine Cluster auf Papier und vermisse nichts. Und so bin ich nun mal: Aus diesem Grund empfehle ich Mindmapping-Software nicht. 




Noch etwas zum Clusterin der Gabriele Ricco - hier gibt es auch ein Programm, mit dem man das am PC verwirklichen kann - der MindManager - der ist allerdings nicht so preiswert zu haben.

Ja, von dem Programm habe ich schon gehört, allerdings finde ich, daß Clustering einfach besser funktioniert, wenn man es von Hand auf Papier macht - es ist unmittelbarer, die Gedanken fliegen direkter, man verschwendet keine Überlegung an "wie mache ich das & das jetzt?" - und ich sehe offen gestanden keinen rechten Nutzen darin, ein Mindmap auf dem Computer zu haben statt auf einem Blatt Papier. (Ich habe es mit EXCEL ausprobiert, das mit seinen Grafikfunktionen eine ähnliche Funktionalität aufweist. Ja, klar sieht es aus wie gedruckt, wenn man es druckt. Aber es SOLL ja nicht so aussehen. Es IST ja ein Konzept. Ein Cluster SOLL wildes Geschmiere sein! Meine Überzeugung jedenfalls.) 




Wie sortiert man eine Text- und Ideensammlung ;-)

Das wüßte ich auch gern. Ideen kommen bei mir in einen Ordner, Texte in Mappen, und außerdem habe ich auf dem PC eine (unvollständige) Datenbank all meiner Texte. Aber im Grunde herrscht eher Chaos. 




Wenn ich auf ein Rollenspiel als Hintergrundgeschichte zurückgreife und Orte, Namen und sonstige wieder erkennbare Daten verändere, so das es ich auch um ein anderes Spiel handeln könnte, muss ich dann noch nach Rechten Fragen? Oder beziehen sich die Rechte nur auf Namen und ähnliches?

Das kann man so allgemein nicht sagen. Der springende Punkt ist, ob man sich des geistigen Eigentums anderer bedient, um damit Geld zu machen: das ist es, was man nicht darf. Es steckt einfach eine Menge Mühe darin, eine künstliche Welt mit Figuren, Gegenden, Ländern, Regeln usw. zu erschaffen, und wenn ein anderer daherkommt und darauf einfach eine eigene Sache aufsetzt und vermarktet, dann ist das nicht sehr fair dem Erfinder dieser Welt gegenüber, nicht wahr? Und daher darf man es nicht ohne dessen Genehmigung tun.


Was man natürlich für sich zuhause oder im Freundeskreis tut, das geht niemanden was an. Wichtig wird das alles nur, sobald man das, was man schreibt, veröffentlichen will.


Und ich denke, wenn man mal anfängt, ein Rollenspiel zu verändern, merkt man rasch, daß man gerade so gut seine eigene Welt mit eigenen Figuren usw. erfinden und die dann handeln lassen kann - nichts anderes ist doch eine Geschichte schließlich, oder? Also ist es eine gute Übung, um zu beginnen.


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