Was mich persönlich betrifft



Welches Ziel möchten Sie mit Ihren Büchern beim Leser erreichen?

Ich möchte erreichen, daß der Leser meines Buches seine Arbeit vernachlässigt, heimlich unter der Schulbank oder auf dem Klo weiterliest, seine Straßenbahnhaltestelle verpaßt, abends sinnlos lange aufbleibt und liest und auf erotische Avancen des Lebenspartners erwidert: "Heute nicht, Schatz."


Darf man fragen, in welcher Altersklasse Sie sich bewegen?

Ich bin Jahrgang 1959. Als ich 35 war, habe ich mit Freude zur Kenntnis genommen, daß ich ein "junger Autor" sei. Heutzutage könne man nicht mehr den großen Roman mit 20 schreiben, wie Goethe das tat, sagte mir ein Verleger - heutzutage müsse man schon einiges mehr erleben und lernen, ehe man ein Werk von Bedeutung schaffen könne.

Also, ich finde, als Schriftsteller ist man enorm privilegiert. Mit 35 ist man noch jung, und man kann schreiben, bis man tot umfällt, und das letzte Buch wird wahrscheinlich das beste. Als Tennisprofi könnte man das alles nicht. Oder als Balletttänzer.


Sind Sie Full-Time-Autor, oder haben Sie daneben noch einen 'normalen' Job?

Ich hatte bis Mitte 1996 eine EDV-Firma, aus der ich ausgestiegen bin, unter anderem, weil es, naja, Probleme mit meinen Geschäftspartnern gab ("woher nehmen Sie eigentlich die Zeit, dauernd Bücher zu schreiben, Herr Eschbach, wo es hier so viel zu tun gibt?") und allgemein keinen Spaß mehr machte.

Danach lebte ich einige Jahre zu einem Teil von meinen Büchern und betrieb "nebenher" nach wie vor EDV-Dienstleistungen als einzelner Selbstständiger (ich habe "individuelle Datenbankanwendungen" erstellt, falls es jemand ganz genau wissen will).

Erst als das "Jesus Video" in der Taschenbuchausgabe bei Bastei-Lübbe zum Bestseller wurde, fingen die Verhältnisse an, sich allmählich zu verschieben. Im Laufe des Jahres 2001 wurde immer klarer, daß ich es mir nicht mehr leisten konnte, den EDV-Job aufrechtzuerhalten! Also ein weiterer Rückzug (ein befreundeter Kollege durfte sich über ein paar neue Kunden freuen), und seither bin ich das, was ich immer sein wollte: Full-Time-Autor.


Sie sind zu beneiden, daß Sie sich aussuchen können, worüber Sie schreiben.

Ich denke, sich aussuchen, was man schreiben will, das kann jeder. Man kann sich nur nicht aussuchen, was veröffentlicht wird. Allerdings wächst die Bereitschaft von Verlagen, zu veröffentlichen, was immer man schreibt, mit jedem Bestseller, den man landet ... ;-)



Ich habe gelesen, Sie schreiben bereits seit Ihrem zwölften Lebensjahr? War es schon immer Ihr erklärtes Ziel, Schriftsteller zu sein?

Es war schon immer mein Ziel, ja, aber ich habe lange gebraucht, um mir das eingestehen zu können. Ich konnte mir lange nicht vorstellen, daß jemand nicht Schriftsteller werden wollen könnte, und habe jahrelang nach anderen, weniger "überlaufenen" Lebenszielen gesucht. Aber natürlich nicht gefunden.

Erst seit ich es nun ernsthaft betreibe, merke ich, daß ich viel mehr Konkurrenz gesehen habe, als tatsächlich da ist. Ich habe zur Kenntnis genommen, daß es Menschen gibt, für die es eine Strafe wäre, ein Buch schreiben zu müssen, auch wenn ich das emotional nicht hundertprozentig nachvollziehen kann. Ich glaube auch, daß Menschen, die Triathlon machen, das nicht tun, weil sie sich nicht trauen, Schriftsteller werden zu wollen. Tatsächlich denke ich, daß der Haufen der Schriftsteller eher relativ klein ist. Es gibt natürlich viele Leute, die es sich nett vorstellen, Schriftsteller zu sein - aber das ist dann eher so, wie wenn unsereins Boris Becker in Wimbledon sieht und denkt, es wäre nett, Tennisprofi zu sein, all der Applaus, diese hübschen Pokale, viel Lob und Ehr und ein Haufen Geld... Aber das Durchhaltevermögen und Interesse, dafür jahrein, jahraus acht Stunden am Tag zu trainieren, Millionen von Bällen zu schlagen, wieder und wieder, sich die Kondition für fünf Stunden Kampf in praller australischer Sonne anzutrainieren - das ist es, was Berufung trennt von der Vorstellung, "es wäre ganz nett". Die Vorstellung "es wäre ganz nett" möchte die Kirschen vom Kuchen essen, ihn aber nicht backen.



Lesen Sie eigentlich noch, oder anders gefragt, sind Sie noch in der Lage, unbefangen Romane anderer Autoren zu lesen, sich in die Handlung fallenzulassen? Oder sind Sie, wie Stephen King es mal so schön ausdrückte, "als Autor zum analytischen Lesen verdammt"?

Zum Glück nicht. Ich freue mich immer, wenn ich einen Roman finde, bei dem es mich so richtig wegsaugt aus dieser Welt. Leider sind derlei Romane selten - wenn ich in der Buchhandlung stehe und die Neuerscheinungen durchsehe, habe ich das Gefühl, es schreiben alle in demselben nichtssagenden Stil über dieselben Themen (vorzugsweise hochintelligente psychopathische Serienkiller). Und bei vielen Büchern geht es mir während des Lesen so, daß ich mich frage, "wozu soll ich das lesen?", und wenn ich mich das frage, heißt das, daß es eben keinen Grund gibt. Liegt derlei Empfindlichkeit an meinem Schriftstellersein? Ich fürchte, nein.

"Analytisch lesen" kann ich einen Roman erst beim zweiten Mal. Mein Bücherregal hat ein eigenes Fach für Bücher, die noch zu analysieren sind. Aber das findet dann am Schreibtisch statt, mit Papier und Stift, und ist Teil der Arbeit.

Nein, ich lese noch, und es macht immer noch Spaß.



Macht Ihnen die Homepage-Gestaltung auch Spaß?

Ja. Wäre es anders, würde ich es lassen.

Speziell die "Schreiben"-Rubrik unterhalte ich, um nicht immer die gleichen Antworten auf die gleichen Fragen geben zu müssen.



Bekommen Sie viele Mails als Reaktion auf Ihre Homepage? Wenn ja, geht Ihnen das nicht auf den Wecker?

Es zwingt mich ja niemand, eine Homepage zu unterhalten.



Sie schrieben einmal, dass Sie nur chatten, wenn Sie müssten... dabei habe ich mich allerdings gefragt, warum Sie diese Art der "Kontaktaufnahme" nicht mögen? Vielleicht, weil ja das Schreiben Ihrer Ansicht nach ein einsamer Beruf ist, und Sie durch das Chatten mehr Kontakt bekommen würden, als Sie wollen?

Mir ist Chatten zu hektisch. Ich fühle mich gezwungen, alles auf simpelste Statements zu reduzieren, um nicht völlig unterzugehen, selbst in moderierten Chats. Email ist unverzichtbar, aber Chats sind der pure Streß für mich. Mit Kontaktscheu hat das nichts zu tun.


Sie sagen immer wieder, daß Verzicht aufs Fernsehen mehr Zeit fürs Schreiben bedeutet. Haben Sie selber eigentlich noch einen Fernseher?

Nein, schon seit 2003 nicht mehr. Übrigens hat man ohne Fernseher auch mehr Zeit fürs Lesen …!



Welche Art Fragen zum Schreiben werden Ihnen am häufigsten gestellt?

Wie man es schafft, veröffentlicht zu werden. Wie man gut schreibt, will eigentlich niemand wissen.



Marion Zimmer-Bradley sagte einmal, daß 90 % aller Schriftsteller eine Katze haben, und zog daraus den Schluß, daß Katzen wohl einen positiven Einfluß auf das Schreiben haben. Besitzen Sie eine Katze?

Ich habe keine Katze und auch keine anderen Haustiere. Anscheinend bin ich kein Schriftsteller wie jeder andere... ;-)


Wie machen Sie das beim Lesen? Als ich einer Freundin mein Dilemma geschildert habe - ein Buch zuerst lesen oder alle gleichzeitig - hat sie gemeint, ich soll doch das dünnste Buch zuerst "fertigmachen". Gibt es eigentlich auch so etwas wie die Kunst des Lesens?

Absolut, die gibt es. Eigentlich wäre das eine eigene Rubrik wert... wenn ich nur selber mehr davon verstünde! :-)

Der Umfang ist höchstens bei sehr dicken Büchern ein Argument. Gute Bücher sind ja immer zu kurz, und schlechte immer zu lang, unabhängig vom Umfang. Ich mache es so, daß ich mich vom momentanen Bauchgefühl leiten lasse. Das funktioniert ganz gut.

Es ist ein bißchen wie wenn man im Restaurant sitzt und die Speisekarte studiert. Ich gehöre zu den Leuten, die das bestellen, auf dem ihr Blick als erstes hängenbleibt. Damit fahre ich meistens gut; mein Unterbewußtsein weiß schon, was es macht. Andere müssen alles erst einmal gelesen und in Erwägung gezogen haben (mit solchen Leuten darf man natürlich nicht zum Chinesen gehen!:-D), ehe sie sich entscheiden können. Ich vermute, das System, mit dem man an Speisekarten herangeht, ist für einen auch das richtige, um an Bücherstapel heranzugehen.


Schreiben Sie schon wieder an einem neuen Buch oder gönnen Sie sich momentan eine Pause?

Eine Pause? Dazu bin ich viel zu vergnügungssüchtig. Natürlich schreibe ich schon längst am nächsten Buch!



Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie die ersten gedruckten Exemplare Ihres ersten Werkes in den Händen gehalten haben?

Ich muß gestehen, daß ich damals enttäuscht war, weil mir das Cover nicht gefiel. Ich bin generell meistens etwas befremdet, wenn ich meinem Buch erstmals in gedruckter Form begegne - auch wenn mir die Ausstattung gefällt, was ja inzwischen auch oft der Fall war -; für mich ist das Schreiben an sich befriedigender als das Geschrieben-Haben.

Aber wenn ich ein Paket von der Post abhole, in dem ich Belege vermute, dann reiße ich das meist doch schon im Auto auf, um ein Exemplar herauszuzerren, anzufassen, drin zu blättern...



Wann haben Sie die Zeit gefunden, zu schreiben, als Sie noch Geschäftsführer waren?

Ich war zu der Zeit solo. Ich bin abends um ca. 22 Uhr heimgekommen und habe mich, den Schwung des Tages ausnutzend, noch in Anzug und Krawatte an den PC gesetzt und habe eine Stunde lang geschrieben, bis der Hunger übermächtig wurde. Dann habe ich mich umgezogen, zu Abend gegessen und bin ins Bett gefallen.



Haben Sie jemals die Entscheidung bereut, Schriftsteller zu werden?

Nein, nie. Und sollte ich es jemals tun, zwingt mich ja niemand, es zu bleiben.



Wie darf man Sie sich bei Ihrer Arbeit vorstellen? Allein und einsam in einer kleinen Kammer?

Allein ja, einsam nein. Und es ist keine kleine Kammer, sondern ein großes, wunderbares Arbeitszimmer. Ein großer Baum klopft mit seinen Ästen gegen meine Fenster, die Sonne scheint herein, und rings um mich stapeln sich Nachschlagewerke, Notizbücher und so weiter - ein ziemliches Chaos.

P.S.: Den Baum gibt es leider nicht mehr. Er wurde am 5. Dezember 2001 von einem Gärtner ermordet. Jetzt geht mein Blick aufs Industriegebiet, und ich muß an hellen Tagen den Rolladen herunterlassen, um nicht geblendet zu werden.

P.P.S.: Inzwischen (2004) ist es ein noch größeres Arbeitszimmer als vorher, wenngleich keineswegs aufgeräumter. Mein Blick geht durch ein an warmen Tagen weit geöffnetes Fenster hinaus auf den Atlantik, ich sehe Segelboote vorbeiziehen und höre das Geschrei von Möven. OK, bisweilen höre ich auch ein Auto vorbeifahren. Und an kalten, regnerischen Tagen sehe ich manchmal gar nichts, weil der Regen gegen die Scheiben klatscht, und zu hören ist dann ein Wind, der hier nach viertausend Kilometern Ozean zum ersten Mal auf Land trifft und sich sagt, "Huch, was ist denn das?" und an dessen Wucht ich mich erst einmal gewöhnen mußte.



Der Schriftsteller im Buch "Jesus Video" benutzte verschiedene Techniken zum Romane schreiben, z.B. eine weiße Wand, wo er die verschiedenen Verläufe aufmalte, machen Sie es ähnlich?

Ja, aber ich habe keine so große weiße Wand und sitze auch lieber beim Denken, deswegen kritzle ich mit Vorliebe in kleine A5-Ringblöcke.

So hat jeder Autor seine Vorlieben... ;-) sogar erfundene! 




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