Wie die tägliche Arbeit aussieht



Schreiben, so geht das Klischee, ist ein einsames Geschäft.

Das ist kein Klischee, sondern die Wahrheit.


Kennen Sie auch die Angst vor dem leeren Blatt? Ich habe, als ich in den USA war, eine Umfrage dort ansässiger Autoren durchgeführt und festgestellt, dass dies ein Phänomen ist, dass sehr häufig vorkommt. Was tun Sie, um sich zu überwinden? Reicht dort allein der Druck, das tägliche Pensum erfüllen zu wollen?

Nein, die Angst vor dem leeren Blatt kenne ich nicht. Ein leeres Blatt löst in mir im Gegenteil den starken Impuls aus, es füllen zu wollen. Ich gehe oft durch Schreibwarenabteilungen und "schmökere" in leeren Notizbüchern aller Art - sehe mir die leeren Seiten an und überlege, was man da alles hineinschreiben könnte. Bizarr vielleicht, aber jedenfalls habe ich dadurch immer genügend leere Notizbücher zur Hand... :-) 
Das tägliche Pensum ist für mich eher eine Richtgröße, wann ich AUFHÖREN sollte. Weil es ja noch ein Leben außerhalb des Schreibzimmers gibt. 


Nein, man WILL den Roman ja schreiben, oder? Wenn man sich das klar macht - daß man diesen Roman ja UNBEDINGT schreiben will, daß er in einem brennt und lodert - und daß man nicht unbegrenzt viel Zeit auf Erden hat - wo ist dann das Problem? Wozu muß man sich dann überwinden? Zum Sex muß man sich doch auch nicht überwinden, oder? :-)


Wieviele Stunden schreiben Sie pro Tag? Und wielang dauert es im Schnitt, bis Sie einen Roman fertiggestellt haben?

Ich habe, anders als die meisten Autoren, keine tägliche Routine; bei mir sieht jeder Tag anders aus. An manchen Tagen schreibe ich überhaupt nicht, dann wieder gibt es Tage, an denen ich nur schreibe - zwölf, vierzehn Stunden manchmal. 


Sie fragen aber wahrscheinlich, weil Sie gern eine Vorstellung davon bekommen möchten, ob Sie eine Chance haben, das Schreiben eines Romans in Ihrem Alltag unterzubringen. Deswegen will ich Ihnen hier lieber meine Durchschnittswerte verraten, die sind weit weniger entmutigend. Die reine Schreibzeit betrachtet (=Finger, die auf Tasten klopfen, und damit Buchstaben auf den Bildschirm bringen), habe ich es in den ersten Jahren auf durchschnittlich kaum eine halbe Stunde pro Tag gebracht. Zu der Zeit, als ich das "Jesus Video" schrieb, war es im Schnitt ungefähr eine Stunde pro Tag, und letztes Jahr waren es über zwei Stunden - aber da habe ich auch fast drei Romane geschrieben. 


Was sagt uns das? Daß ein Autor noch eine ganze Menge Zeit mit anderen Dingen verbringt: mit Recherchen, mit Planung, mit Nachdenken, mit Korrespondenz - und damit, sich davor zu drücken, sich hinzusetzen und weiterzuschreiben. Und daß einen Roman zu schreiben nicht wirklich ein zeitliches Problem ist. Es hat in der Geschichte zahlreiche Autoren gegeben, die ihr ganzes Leben lang einen anderen Brotberuf ausgeübt und trotzdem viele dicke Romane geschrieben haben; tatsächlich ist der freiberufliche Autor eine Erfindung der Neuzeit. Es gibt Romane der Weltliteratur, die in höchster Eile und kürzester Zeit heruntergefetzt wurden. Und es gibt sterbensschlechte Romane, an denen ihre Autoren ein Leben lang gefeilt haben. Und jede andere Kombination gibt es auch. 


Wie lange dauert es? Von der ersten Idee bis zum fertigen Manuskript bei mir im Schnitt sechs Jahre. Von der ersten Idee bis zu dem Moment, in dem ich beginne, dauert es allerdings schon mal fünf Jahre, d.h. in der Zwischenzeit schreibe ich natürlich andere Sachen. Das Schreiben selbst inklusive Überarbeitung dauert zwischen einem halben und anderthalb Jahren, je nach Umfang und Termindruck.


Haben Sie irgendwelche Rituale, wie sie sich auf das Schreiben einstimmen? Stehen Sie auf, gehen Sie einmal um den Stuhl, spucken Sie sich über den Rücken und tunken Sie ihre Schreibfeder in eine Tomate? Ich persönlich versuche mich mit Musik zu stimulieren, vorwiegend Film-, klassische, aber auch Pop-Musik.

Nein, ich habe keine Rituale. Ich setze mich hin, lese die letzten zwei Seiten vom Vortag, skizziere, wie es weitergehen soll, und fange an. Manchmal fange ich aber auch einfach so an. 
Was Musik anbelangt, habe ich früher immer das Radio nebenher laufen lassen. Inzwischen lenkt mich das zu sehr ab. Ab und an lasse ich getragene Musik laufen (darunter verstehe ich ältere Genesis oder Pink Floyd-Platten), aber meistens bevorzuge ich Stille. Ist wahrscheinlich altersbedingt. :-)


Wie schreiben Sie, wann schreiben Sie, wo schreiben Sie am liebsten?

Ich schreibe natürlich am Rechner, mit zwei Fingern - eigentlich eher eineinhalb, weil mein rechter Zeigefinger die Hauptarbeit macht -, ich schreibe, wann immer es sich ergibt - also ohne festen Tagesrhythmus, falls Sie das meinen - und wo? Grundsätzlich könnte ich es überall. Eine Zeitlang hatte ich einen Laptop, da habe ich gern mal auf der Couch geschrieben, das Teil auf dem Schoß, das war auch sehr angenehm.


Haben die Bücher, die Sie gerade lesen, auf Ihre Arbeit Einfluß?

Natürlich. Weil ALLES Einfluß hat. Das Beruhigende, was ich dazu sagen kann, ist, daß man mit wachsender Erfahrung immer weniger Probleme hat, mit diesem Einfluß umzugehen. Einfach gesagt, es passiert dann seltener etwas von selber, was man vielleicht gar nicht will. Aber, wie gesagt, dahin gibt es keine Abkürzung. Man muß einfach viel schreiben und ständig versuchen, besser zu werden.


Schreiben Sie eine Geschichte/Roman erst zu Ende, bevor Sie das nächste Projekt angehen? Oder arbeiten Sie an mehreren Sachen gleichzeitig?

Mal so, mal so. Ich habe immer mehrere unfertige Sachen gleichzeitig auf dem Rechner, das ist klar, und es gibt Zeiten, da bossle ich mal hier, mal da, einfach damit die Finger in Bewegung bleiben. Dann drängt sich ein Thema so lange in den Vordergrund, bis klar ist, das wird der nächste Roman, und dann konzentriert sich die Arbeit zunehmend darauf.


Lassen Sie mehrere Texte sozusagen phasen-verschoben entstehen (d.h.: Während Sie an Text A schreiben, ist Text B schon in Planung)?

Mehrere Texte "phasenverschoben" entstehen zu lassen: das habe ich mal versucht, aber es funktioniert meistens nicht. Ich kann mich nur auf eine Sache wirklich konzentrieren. Die einzige Ausnahme: wenn ich einen Text fertig habe und er "ruht", mache ich mich (schreibend und/oder planend) an den nächsten. 



Sie haben einmal gesagt, Sie seien in der Zeit, in der Sie am "Jesus Video" geschrieben haben, nur auf einen Schnitt von einer Seite am Tag gekommen. Das erscheint mir ziemlich wenig; ich schreibe manchmal 5 oder 6 Seiten nach Feierabend.

Sie müssen meine Seitenangaben als WIRKLICHE Durchschnitte verstehen. Ich habe Tage, an denen ich 14, 15 Seiten schreibe, aber eben auch welche, an denen ich gar nicht dazu komme. Das ist wie beim Autofahren: Die wirkliche Durchschnittsgeschwindigkeit liegt meistens nicht mal bei der halben Spitzengeschwindigkeit. Wenn man 100 km pro Stunde schaffen will, hat man subjektiv das Empfinden, permanent 200 km/h zu rasen - was die ganzen Bremsmanöver, Staus etc. ausmachen, hat man nicht im Gefühl. Aber wenn man eine 300 Seiten-Rohfassung nach einem Jahr fertig hat, dann macht das rechnerisch eben weniger als 1 Seite pro Tag, da beißt die Maus keinen Faden ab. Man muß das wirklich ausrechnen, und das tun eben die wenigsten. Und "gefühlte Durchschnitte" sind Quatsch.


Sagen Sie mal, wenn Sie die ganzen Strecken zu den Lesungen usw. mit der Bahn gefahren sind, haben Sie da Ruhe gefunden zu schreiben? Ich habe als Vielfahrer (Auto) letzte Woche mal die Bahn ausprobiert. Ich hatte zwar einen reservierten Sitzplatz im InterCity, aber leider auch ständig irgendwelche (teilweise übelriechende) Hintern im Gesicht. Naja, vielleicht etwas übertrieben, aber mein Notebook hätte ich nicht auspacken wollen in dem Gedränge. Das würde mich echt mal interessieren, grad weil mir das Autofahren eine Menge Zeit killt.

Ah, ich sehe, dazu könnten ein paar Tipps auch nichts schaden. 


  • Also: Es ist zunächst mal wichtig, wann man fährt. Richtig voll sind die Züge an Freitagen und Samstagen, da reserviere ich immer; den Rest der Woche geht es meist auch ohne, da reserviere ich nur bei sehr langen Strecken.
  • Dann: Welcher Platz? Die besten Plätze zum Arbeiten sind Sitze in Großraumwagen, allerdings NICHT die an den Tischen. Tische sind grausam, wenn einem jemand gegenübersitzt, fast so schlimm ist es in Abteilen. Und man kann kaum hoffen, einen Tisch dauerhaft für sich alleine zu haben; in einem simplen Doppelsitz dagegen bleibt man dagegen in ca. 50% der Fälle ungestört, wenn man sich ein bißchen ausbreitet.
  • Dann gibt es so Sachen wie Mutter-Kind-Abteile in den neueren ICEs, die oft leer bleiben, weil sich niemand in einen Raum zu setzen wagt, dessen Teppichboden nach Kinderzimmer aussieht. Risiko natürlich: Daß tatsächlich eine Mutter (oder ein Vater) mit Kind ankommt. Dann ist es in aller Regel vorbei mit der Ruhe. Aber dann kann man meistens immer noch einen anderen Platz finden.
  • Wichtig zu wissen ist auch, daß sich Gedrängel - außer in extremen Fällen, etwa Samstagmorgen mit Ferienbeginn und Soldatenheimfahrt usw. - oft ungleichmäßig über einen Zug verteilt. Manchmal stehen Leute in dem einen Wagen, und weiter vorne oder hinten sind noch Plätze frei zum Liegen. In ICs sind oft die ersten bzw. letzten Wagen interessant; ich bin schon in diesen Wagen ALLEINE gefahren, während die Passagiere in den anschließenden Wagen saßen wie die Hühner in der Legebatterie. Manche Schaffner geben Tipps weiter, wo leere Plätze sind, manche aber auch nicht.
  • Überhaupt ist es von Vorteil, sich geistig davon lösen zu können, an einen bestimmten Platz gebunden zu sein. Nur weil man eine Reservierung bezahlt hat? Ist mir egal, wenn ich woanders einen besseren finde. Während der Fahrt mal gucken, ob in allen Wagen soviel los ist? Lohnt sich fast immer.
  • Und schließlich: Notebook-Rechner sind natürlich große, hungrige Teile, und daß der halbe Wagen mitlesen kann, was man da auf dem großen, schönen Bildschirm verfaßt, ist klar und hemmt. Deswegen habe ich einen PSION, der kaum größer ist als mein Geldbeutel - den kann ich auch im größten Gewühl aufklappen, und der Schirm ist so beschaffen, daß niemand was darauf sieht außer mir.

(Als Raucher hätte ich es einst besser gehabt, in den meisten Zügen waren die Raucherabteile leerer als die Nichtraucherabteile. Ausnahme: Die ICEs, die bloß noch kleine und entsprechend vollgestopfte Raucherasyle hatten. Aber - das war einmal!)



Ich wollte gerade an fangen,die Geschichte zu schreiben,aber ich weiß jetzt nicht,was der erste Satz sein soll.Da habe ich oft Probleme.Wenn Sie ein paar Beispiele nennen könnten,würde ich mich sehr adrüber freuen.

Mach Dir darüber nicht so viele Gedanke. Setze Dich hin, stell Dir die Szene vor, mit der Deine Geschichte beginnen soll, fühle Dich richtig hinein (zum Beispiel, daß Du der Junge bist und mit den Wellen kämpfst, um an Land zu kommen, wie Dir das Salzwasser übers Gesicht schießt und wie Deine Muskeln immer lahmer werden usw.), und wenn Du es richtig plastisch siehst und spürst, dann schreib einfach drauflos. So wird es am besten.


Können Sie tatsächlich beliebig an der Stelle Ihres Romans neu aufsetzen, an der Sie am vorigen Tag abgebrochen haben? Obwohl Ihnen die Handlung völlig klar ist, brauchen Sie möglicherweise Zeit, um wieder hineinzufinden, und eben das gelingt mir nicht.

Wenn es nur der vorige Tag ist, ist es kein Problem. Was ich tue, ist, daß ich die letzten zwei Seiten noch einmal durchlese und ein bißchen korrigiere, was mir so auffällt. Dann bin ich wieder soweit drin, daß ich weiterschreiben kann. 


Nach einer Lesereise o.dgl. ist es schon schwieriger. Da muß ich weiter zurücklesen, mir meine Aufschriebe nochmal vornehmen usw. und mich ganz allgemein erst einmal eine Weile dransetzen, bis die Zündschnur wieder Feuer fängt. Und ich stehe einfach nicht vorher vom Schreibtisch auf...
;-D


Warum warte ich bei Terminarbeiten immer bis zur letzten Sekunde?

Man kann sich in dem, was man tut, von der Dringlichkeit der Aufgaben leiten lassen oder von ihrer Wichtigkeit. Wichtig und dringlich ist nicht dasselbe.

Dringlich kann sein, einen Strafzettel zu bezahlen, ehe die Frist verstreicht - aber es ist nicht wichtig. Denn: Es bringt Ihnen nichts. Wichtig kann sein, ein Buch zu lesen - oder es zu schreiben. Es ist im Prinzip egal, wann Sie es tun - jetzt, in einem Jahr, in zehn Jahren, nie. Es ist nicht dringlich, das heißt: Es hat keine Konsequenzen, wenn Sie es nicht tun.

Aber vielleicht ist es wichtig? Wenn Sie im Inneren genau wissen, daß Sie dereinst nicht ruhig sterben können, wenn Sie diesen Roman nicht geschrieben haben - dann ist er wichtig.

Nach den Dringlichkeiten zu priorisieren heißt, immer Feuerwehr zu spielen, immer zu reparieren, immer das zu tun, was am lautesten schreit. Immer im Streß zu sein.

Wenn man nach Dringlichkeit priorisiert, kann man keinen Roman schreiben. Um einen Roman zu schreiben, muß man nach Wichtigkeit priorisieren. 




Ich habe festgestellt, dass immer wieder Tage ungenützt verstreichen, wenn man am Vortag die erste Fassung für einen Text abgeschlossen hat und ihn zufrieden in der Schublade verschwinden hat lassen. Was machen Sie diesbezüglich?

Gut, wir wollen nicht päpstlicher als der Papst sein. Die Empfehlung, "jeden Tag schreiben", richtet sich an den, der noch am Anfang des Weges steht. Worauf sie zielt, ist, daß man sich angewöhnen muß, regelmäßig an seinen Texten zu arbeiten. Wobei das Arbeiten im Schreiben, im Umschreiben, im Editieren, im Recherchieren oder im Planen bestehen kann, ganz gleich - solange man nur dabei bleibt. Denn das, was den Erfolg verhindert, ist die Haltung "wenn ich mal wieder Zeit habe, werde ich..." - das funktioniert nicht. Man muß das Schreiben zur obersten Priorität machen. 


Es gibt Tage, an denen es einfach "nicht läuft" - da schreibt man dann halt nicht, sondern räumt eben das Zimmer auf, saugt Staub und stellt ein paar Bücher zurück ins Regal, oder man geht schwimmen oder einkaufen. Solange es nicht zu oft vorkommt, ist das kein Problem. 


Im Endeffekt ist es so, daß das Schreiben in Phasen erfolgt - daß man immer wieder intensive Schreibwochen hat und dann wieder Wochen ohne "Seitenzuwachs". Aber das heißt ja nicht, daß in diesen Wochen nichts passiert. Ein Roman wächst ja zuerst mal im Kopf, dann erst auf dem Papier. Es sind also nicht notwendigerweise "Durchhänger". 




Es gilt doch die Regel, man müsse jeden Tag mindestens 1800 Anschläge schreiben?

Wie bitte? Diese Regel kenne ich so nicht. Man muß erst mal überhaupt nicht schreiben. Zweitens, wenn man das Geschäft des Schreibens ernsthaft erlernen und betreiben will, ist es ratsam, jeden Tag zu schreiben, und sich zudem ein bestimmtes Pensum zum Ziel zu setzen. Wie hoch das ist, ist ganz individuell. Manche setzen sich zum Ziel, jeden Tag 10 Zeilen zu schreiben. Einen Schnitt von 1 Seite pro Tag ist schon eine respektable Leistung - ich habe jahrelang nur einen Schnitt von einer halben Seite geschafft. Wie man mittlerweile weiß, führt auch das zum Ziel.


Dutzende kleiner Ideen sammle ich in einer roten Taschenkladde, für die Zeit, wenn ich mal Zeit habe... aber ich habe den Eindruck, das auf diese Weise dieser Zeitpunkt nicht kommen wird.

Genau. Warten darauf, daß einen mal freie Zeit überfällt, ist Selbsttäuschung. Jeder von uns hat exakt 24 Stunden pro Tag, und wir sind es, die diese Zeit letztlich einteilen. Das heißt, wenn man Zeit für etwas braucht, muß man sie sich nehmen - und etwas anderes zurückstellen. Es ist eine Frage der Prioritäten, nicht der Zeit. Das Leben ist zu kurz, um alles machen zu können. Man muß entscheiden. 




Ich habe beispielsweise drei Tage in der Woche bis 16:00 Uhr Schule und muss dann danach fast sofort zur Arbeit. Da hab ich keine Zeit mehr zum schreiben, wenn ich Zeit habe, muss ich lernen....(WÜRG)

Wenn ich mich zurückerinnere, hatte ich nie wieder so viel und so unbeschwerte Zeit zum Schreiben wie während der Schulzeit. 


Später ist man gezwungen, Prioritäten zu setzen. Das heißt, man darf nicht warten, daß freie Zeit entsteht - das passiert nie, dafür sorgt die Umwelt schon. Die pflastert einen zu mit Dingen, die man machen soll ("und Coke bei 3 Grad") bis zum Anschlag. Man muß knallhart dagegenhalten und sagen: Schreiben ist mir wichtiger als - als Disco, Fernsehen, Zeitunglesen, usw. 


Wobei das allerdings reichlich heftig klingt. Den ganzen Tag Schule und dann noch wer weiß wie lange arbeiten? Klingt, als ob Du versklavt wärst :-) 




Das Problem ist die Ausdauer, dabeizubleiben, und ich denke, wenn man wirklich schreiben WILL, ist jedes Mittel recht, um diese Ausdauer zu erreichen. Was meinen Sie?

Absolut. Am Anfang ist es wirklich egal, wie man es anstellt - Hauptsache, man kriegt das verdammte Ding fertig geschrieben, kann das letzte Blatt auf den Stapel legen und "ENDE" drunterschreiben. Später wird das dann selbstverständlich, da zweifelt man keine Sekunden mehr daran, daß man es beenden wird (man hat dann andere Sorgen...). Aber der erste Roman, das ist hart. Da muß man durch. 


Aber so ist es ja oft im Leben. Die erste Fahrstunde - so viele Gänge, und lenken soll man auch noch, was, und ums Blinken muß man sich auch selber kümmern? Man ist froh, lebendig wieder aussteigen zu können. Und ein paar Jahre später steuert man den Wagen durch die Innenstadt und denkt dabei über Romanfiguren nach... 




Interessanterweise habe ich im April, als ich vierzehn Tage ganz allein im Urlaub war, bis auf ein paar Notizen zu meinem neuen Buch kein einziges Wort geschrieben. Vielleicht sind Ruhe und Frieden einfach nicht die idealen Bedingungen für mich.

Da gibt's einen Film, in dem es einer Schriftstellerin genauso geht, ich weiß bloß nicht mehr, wie der heißt. Muß so ein 50/60er-Jahre-Schinken sein. Jedenfalls schreibt sie ihren Bestseller in der Küche, mit all den kleinen Zwergen, die an ihr zerren und um sie rum schreien... und dann kommt der große Erfolg (korrekter: Der Große Erfolg), sie hat endlich ein ruhiges, gut ausgestattetes Arbeitszimmer, Kindermädchen, Küchenhilfe usw. - und ihr fällt nichts mehr ein! Erst als sie sich wieder in die Küche setzt unter all die Rangen, da fließt es wieder... 


Hach, ist das nicht aus dem richtigen Leben gegriffen? 


So sind die Menschen eben verschieden. Ich schreibe am besten, wenn ich mich langweile, nichts los ist in meinem Leben oder ich mit einem leichten Fieberchen im Bett liegen sollte. Aber ob ich in einem Urlaub schreiben könnte, weiß ich nicht, wahrscheinlich nicht. Hab's noch nicht probiert. Aber andere Gegend, das ist auch schon wieder zu viel Abwechslung. 




Mir hilft die Non-Fiction-Schreiberei beim Erlangen der von Ihnen erwähnten Disziplin.

Ich kriege immer einen Reizhusten, wenn jemand mich in einem Atemzug mit dem Begriff 'Disziplin' nennt. In Wirklichkeit bin ich nämlich ein faules Rabenaas. Mit allen Tricks stupfe und stosse ich mich an die Arbeit - Etappenziele ("diese Woche bis zu der Szene mit dem Andockmanöver der Raumpiraten") helfen, ungewöhnliche Anstrengungen ("diese Woche jeden Morgen eine Seite vor dem Frühstück"), und so weiter. 




Ich muß, und kann, in jeder Lebenslage schreiben, im Wohnzimmer bei laufender Glotze, umgeben von einer Horde tobender Kinder, im tastenklappernden Schreibzimmer der Großraumbüros, in Zügen..

Ich gestehe, daß ich das nicht kann. Das heißt, ich kann wohl in vielen schwierigen Situationen schreiben, aber ich schreibe dann nicht gut. Um richtig gut zu schreiben, brauche ich den Schutz der Ungestörtheit, Stille, keine drohend nahenden Termine. Ich muß die Welt um mich herum versinken lassen können und darf keine Angst haben, daß mich jeden Moment ein Fußtritt, ein Ball oder eine Frage treffen könnte. In dem Maß, wie die Welt versinkt, taucht die andere Welt auf... 


Diese idealen Bedingungen habe ich auch nur selten. Meine schwierigen Szenen, Schlüsselszenen usw. hebe ich mir auf, nutze solche Gelegenheiten, um sie einzufangen... 

Meine Lieblingssprüche hierzu: 


"Schreiben ist wie Sex. Wenn's gut läuft, stört jede Unterbrechung." 
(ich wollte, ich wüsste noch, von wem das war) 


"Man kann jederzeit schreiben, wenn einen die Leute in Ruhe lassen und nicht unterbrechen."
(Ernest Hemingway) 




Mit einer vernünftigen Planung bekommt man alles unter einem Hut. Etwas weniger Fernsehen vielleicht, und schon wird man staunen, wiviel Zeit einem noch für andere Dinge bleibt. Aber ich glaube, dass viele einfach zu bequem sind...

Ich denke, vordergründig geht vom Fernsehen einfach der stärkere Reiz aus. Wenn man abgeschlafft zuhause ankommt, dann ist das die energiesparendste Möglichkeit, sich zu vergnügen. Und selbst mit Werbepausen kann man "Doktor Schiwago" oder "Vom Winde verweht" nicht so schnell lesen wie gucken... Fernsehen hat etwas Suchtartiges; entweder man guckt am laufenden Meter oder fast gar nicht - so wie man raucht, ungefähr. Es ist schwer, das Mittelmaß zu halten. 


Und klar, es ist der größte Zeiträuber. Arbeiten, Schlafen, Fernsehen - das sind die dicksten Brocken in der Woche. Wenn man "nicht genug Zeit zum Schreiben hat" - verkaufe man seinen Fernseher und kündige seine Tageszeitung, und schon hat man genug Zeit für einen Roman pro Jahr, mindestens! 




Ich habe in letzter Zeit meine Arbeitsweise verändert: Anstatt alles auf A6-Ringbuchblöcken aufzuschreiben und dann irgendwann ins Reine zu tippen, tippe ich nun gleich drauflos, seitdem ich einen Laptop habe. Tatsächlich ist das von der Quantität her produktiver, aber nach einer gewissen Anzahl von Short Stories fällt mir zur Zeit nicht viel mehr ein.Würde vielleicht eine Rückkehr zu den alten Arbeitsweisen helfen - bzw.kennen Sie von sich selbst die Erfahrung, dass so etwas hilft?

Da gibt es keine Regel, die für alle paßt, vielmehr muß jeder die Arbeitsweise finden, die zu ihm paßt und bei ihm funktioniert. Dazu muß man experimentieren, und das, bei dem es Klick macht, beibehalten. 
Ich persönlich schreibe alles, was irgendwie mit Denken, Ideen, Planung, Entwurf usw. zu tun hat, von Hand in dicke Notizbücher, und den eigentlichen Text schreibe ich immer (seit jeher - früher eben mit Schreibmaschine) auf einer Tastatur. Einen Roman von Hand schreiben würde, glaube ich, bei mir überhaupt nicht funktionieren. 




Ich weiss nicht, wie ich schreiben soll. Ob auf PC oder von Hand... Von Hand; Vorteile: Ich kann alles nochmals überarbeiten, wenn ich es auf PC schreibe und sehe teilweise Fehler, die ich sonst nie realisiert hätte... Es ist bequem, man braucht keinen Strom, sondern nur ein Blatt Papier und einen Stift. Ich habe danach irgendwie das Gefühl, etwas "geleistet" zu haben... Ich kriege keine Kopfschmerzen... Nachteile: Es dauert ewig... Und ich habe nicht ewig Zeit... Sehr wichtige Überarbeitungen während dem Schreiben sind schwierig... Was würden Sie mir empfehlen?

Ich kann Ihnen nicht sagen, was das Beste für Sie ist; das müssen Sie selber herausfinden, indem Sie es ausprobieren und die Methode, mit der Sie gut zurechtkommen, behalten. So, wie Sie Vor- und Nachteile beschreiben, habe ich aber das Gefühl, daß Sie zu den Menschen gehören, die besser erst mit der Hand schreiben und das dann auf dem Computer ins Reine tippen (und es dabei noch einmal überarbeiten). 


Daß es von Hand "ewig dauert" macht nichts, wenn es dafür gut wird. Was nützt es Ihnen, wenn Sie es in den PC schreiben und es ist alles Murks? 


Sie können sich angewöhnen, beim handschriftlichen Schreiben einen sehr breiten Rand zu lassen (ein Drittel des Papiers etwa, zur Not vorher eine Linie ziehen) für Ergänzungen usw. - So mache ich es, wenn ich mal unterwegs einen Text handschriftlich schreiben muß. (Ich bin allerdings eher einer, der besser gleich in die Tasten hauen sollte. Wie gesagt, die Menschen sind unterschiedlich.) 




Um meinen Roman schreiben zu können, müßte ich mich ganz darin vertiefen können, losgelöst von Dingen wie Kindererziehung, Geldverdienen, Steuerzahlungen oder Autoreparaturen.

Ach Gott, wie stellen Sie sich das vor? Romane schreibt man WÄHREND all das stattfindet! Ich habe geschrieben, als mein Sohn frisch auf der Welt war und mir nur seine kurzen Schlafpausen blieben, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich habe "Solarstation" geschrieben, als ich gerade eine FIRMA gegründet hatte, von morgens acht bis abends zehn gearbeitet habe: um elf heimkommend, habe mich, noch im Anzug, den Schlips gelockert, an den PC gesetzt und mit dem Schwung des Tages 2 bis 3 Seiten runtergeschrieben. Wenn Sie warten, bis um Sie herum kein Leben mehr stattfindet, sind Sie tot, ganz einfach. 




Ich habe auch probiert mit der Hand zu schreiben, doch ich plane die Geschichten immer so genau im Kopf, dass es mir dann doch zu langweilig ist, sie noch zu schreiben.

Tja, tut mir leid: Von dem, was in Ihrem Kopf ist, hat aber niemand etwas. Schreiben HEISST nun mal genau das: SCHREIBEN. Worte aneinandersetzen in der Art, daß etwas von den Gedanken und Vorstellungen, die der Autor hat, in das Hirn des Lesers übergeht. Und das ist alles andere als langweilig, das ist sogar höchst schwierig. Sollte die Telepathie erfunden werden, ändert sich das natürlich grundlegend, aber bis dahin muß man Worte zu Sätzen fügen, Sätze zu Absätzen und Absätze zu Kapiteln. Und GUT soll es außerdem sein. 




Ich schreibe sehr gerne, allerdings bin ich immer abgelenkt durch Sorgen, ob finanzieller Art, Sorgen um oder wegen der Frau, etc. Wie schafft man sich eine Plattform zum Schreiben, ohne ein schlechtes Gewissen seiner Frau, Freunden oder anderen gegenüber zu haben (man hätte ja noch einkaufen sollen, oder ähnliches)? Leider bin ich nicht in der glücklichen Lage wie Herr Mann seinerzeit, ein eigenes Schreibhaus zu haben und mich dort den Vormittag zurückziehen zu können.

Ich weiß nicht, ob ein eigenes Schreibhaus das Problem löst; dann sitzt man dort und denkt, oh weh, wenn ich zurückkomme, kriege ich eins mit dem Wellholz über, weil ich nicht staubgesaugt habe o.dgl. 


Sie müssen Ihrer Umwelt klar machen, daß das Schreiben etwas ist, was wichtig für Sie ist. Jeder Mensch hat ein Anrecht darauf, Dinge für sich tun zu dürfen, Zeit mit sich alleine zu verbringen und Tätigkeiten nachgehen zu können, die andere Leute nicht zu verstehen brauchen. Sie sind ja kein Sklave, nehme ich mal an? Es ist auch nicht nötig, daß andere das gut finden, wenn Sie sich zum Schreiben zurückziehen. Verhandeln Sie mit Ihrer Umwelt und treffen Sie eine Vereinbarung - und dann ist wichtig, daß Sie sich strikt an diese Abmachungen halten. D.h. Sie kommen pünktlich wieder zum Vorschein, aber Sie VERSCHWINDEN auch pünktlich! Abgemacht ist abgemacht. Dabei ist es egal, wie diese Verabredung aussieht - das kann man alles regeln, wer wann wieviel einkauft usw. Aber irgendwann müssen Sie schließlich auch mal frei haben, sonst stimmt was mit Ihrem Leben nicht. 




Glauben Sie nicht auch, dass das Internet ein ähnlicher Zeit-Killer ist wie das Fernsehen oder Zeitunglesen?

Manchmal denke ich, ja. Andererseits gibt es Situationen, in denen es endlos Zeit spart - Informationen, die man anderswo nur unter unrealistischem Aufwand bekäme, sind auf Tastendruck verfügbar. Ich habe jetzt den Fernseher abgeschafft, Zeitung habe ich ohnehin nie gehabt, nur Internet behalte ich bei - das sollte OK sein :-) 




Ich habe ihre Netpage studiert und ich bin erfreut über die Geduld und Ernsthaftigkeit, mit der sie uns Wortdilletanten in den Sattel helfen wollen. Aber das ist nicht das, was mir weiterhelfen könnte. Also: Her mit dem Arschtritt!!

Tut mir leid, den werden Sie von mir nicht kriegen. Sie können sich nicht aufraffen, ein Buch zu schreiben? Na, dann lassen Sie es doch! Das Letzte, wirklich das Allerletzte, was die Welt braucht, ist noch ein Buch. Es gibt genug davon. Mir fällt kein vernünftiger Grund ein, warum man jemanden dazu antreiben sollte, noch eines zu schreiben, dem der Drang dazu nicht von selber innewohnt. 




Ich versuche mich seit ca. einem Jahr an einem Roman und hoffe, daß ich es durchhalte bis zum Ende.

Gut. Halten Sie durch. Und während Sie durchhalten, kann es nicht schaden, sich auch schon behutsam mit dem Gedanken anzufreunden, daß Sie eventuell noch drei, fünf oder zehn weitere Romane schreiben werden, ehe der erste davon zum Buch wird. Romane schreiben ist wie Marathon laufen: beim ersten Mal hofft man bloß, daß man es bis zum Ende durchhält. Aber dann läuft man weitere Marathons, bis irgendwann das Durchhalten selbstverständlich geworden ist und man stattdessen hofft, es aufs Siegertreppchen zu schaffen. 




Ich möchte ab Montag mit dem täglichen Schreiben beginnen. Ich stelle mir 30 Minuten vor. Ich weiß zwar, dass ich mir damit ein sehr ehrgeiziges Ziel setze, aber ich traue mir zu, das zu schaffen. Es kann zwar immer mal vorkommen, daß man an einem Tag nicht dazu kommt, aber dann möchte ich die verlorene Zeit am nächsten Tag anhängen.

Das wird nicht funktionieren. Wenn eine so hektische Zeit im Leben ist, daß man an zwei Tagen hintereinander nicht dazu kommt, sich 30 Minuten zurückzuziehen, um zu schreiben, dann sind das schon 1,5 Stunden am dritten Tag, und DIE Zeit ist dann erst recht nicht. 


Das ist zu buchhalterisch: Lassen Sie es. Unnötiger Streß. 


Machen Sie es andersherum: Schauen Sie sich Ihren Kalender der nächsten Tage an und reservieren Sie Zeit fürs Schreiben, wo es reinpaßt. Genau so, wie man Zeit fürs Kino, für Verabredungen usw. reservieren würde. Und versuchen Sie, DAS einzuhalten in 90% der Fälle. (So mach ich es seit Jahrzehnten, und das ist eine Methode, die auch sehr unruhige Zeiten übersteht.) 


Ein Schnitt von 30 Minuten pro Tag ist gut für den Anfang. Eigentlich nicht viel - ungefähr die Zeit, die man braucht, um die Tageszeitung einmal durchzusehen. Oder einmal Tagesthemen gucken. Und dafür ist ja irgendwie auch immer Zeit, nicht wahr? Also: Es geht darum, dem Schreiben eine hohe PRIORITÄT im Leben einzuräumen. 




Man verliert leicht den Spaß am Schreiben, wenn man ständig nur daran denkt, möglichst schnell fertig zu werden.

Jo. Das ist ein bißchen so, als würde man beim Sex nur im Sinn haben, möglichst schnell fertig zu werden. Solche Leute gibt es, aber ich würde mal sagen, die haben von vornherein keinen Spaß am Sex. Was ja an sich okay ist, nur braucht man es sich dann nicht einzureden. 




Ich mache mir seit Wochen vor, dass ich ja gar keine Zeit zum Schreiben habe, dass ich immerhin alleinerziehender Vater bin und die Schule gewiß nicht schaffen werde, wenn ich nebenbei auch noch ein "großes Schreibprojekt" bearbeite. Alles Ausreden - gewiß!

Da ich auch eine Zeitlang alleinerziehender Vater war, kann ich lebhaft nachvollziehen, daß Sie es nicht einfach haben. Aber wir wachsen nun mal an den Widerständen, die wir überwinden - dazu sind die sozusagen da. Schwerter werden im Feuer geschmiedet, nicht im warmen Bett. Wobei es menschlich ist, auch mal einen Durchhänger zu haben... Aber, da wir schon beim Thema 'alleinerziehender Vater' sind: Lassen Sie sich doch von Ihrer Tochter beim Schreibenlernen helfen! 


Ihre Tochter müßte jetzt, wenn ich richtig rechne, um die sechs sein. Das ist ein Alter, in dem man es schätzt, wenn einem der Papa abends beim Schlafengehen noch eine Geschichte vorliest. Und das muß ja nicht immer eine Geschichte von Herrn Grimm oder Frau Lindgren sein, das kann ja auch mal eine Geschichte von Vaters eigener Feder sein, oder? Schreiben Sie spannende, unterhaltsame Geschichten für Ihre Tochter, Geschichten, die sie fragen lassen "und wie geht's weiter?", wenn Sie zu Ende sind, worauf Sie sagen: "Schscht. Morgen abend." 


Was glauben Sie, wie das motiviert? Klar, Sie sollten Morde eher meiden, dafür ein paar Elfen oder Drachen agieren lassen. Aber ich kann Ihnen eines versprechen: zum wichtigsten Thema überhaupt, nämlich, wie man Spannung aufbaut, das Interesse des Lesers/Hörers aufrecht erhält, lernen Sie auf diese Weise mehr als in jedem Schreibseminar der Welt. Weil Kinder einfach gähnen, wenn sie nicht mehr juckt, was da passiert. - UND: Sie schreiben Sachen FERTIG. Es kommt nicht so sehr darauf an, wie lang die Sachen sind, sondern darauf, daß man einen geschlossenen Geschichtenbogen erzählt, von Anfang bis Ende. 


Falls Sie noch nicht überzeugt sind: Ralf Isau hat seine Karriere so begonnen, sozusagen unabsichtlich. Sein erstes Buch waren Geschichten, die er seiner Tochter erzählt hat. Und heute verkauft er in Japan an manchen Tagen mehr Bücher als Joanne K. Rowling... 




Hin und wieder fällt mir ein Stück für weiter hinten in der Geschichte ein, (dummerweise schreib ich das nie auf)

Hier geben Sie sich den Ratschlag doch schon selber: SCHREIBEN Sie es auf. Ich habe stets einen Notizblock neben der Tastatur und notiere alles, was mir für weiter hinten einfällt, zumindest stichwortartig. 




Zu schreiben hab ich schon begonnen, aber es sind immer nur Textfragmente zu der Idee die mir gerade durch den Kopf schwirrt, denn da fällt mir auch schon wieder die nächste ein. Dadurch bekommt das Ganze leider nicht Hand und Fuß.

Was spricht dagegen, alles, was Ihnen zu irgendwelchen ANDEREN Stellen einfällt als der, an der Sie gerade schreiben, einfach kurz in einem Notizbuch zu notieren und ansonsten mit der Arbeit weiterzumachen? Ich jedenfalls mache es so. Jede Idee ist willkommen, hat aber erst mal nur Anspruch auf ein sicheres Plätzchen und mein grundsätzliches Wohlwollen, mehr nicht. Sie hat insbesondere keinen Anspruch auf sofortige Umsetzung. 




Ich (männlich, 20 Jahre jung) persönlich halte mich für recht schreibgewandt und talentiert; vielleicht werde ich irgendwann mal meine Schrifststellerambitionen in die Tat umsetzen. Oft habe ich (meiner Ansicht nach, und wohl nur meiner...) geniale Ideen für Bücher, Kurzgeschichten usw., die ich mir dann auch sofort notiere, um den Gedanken festzuhalten. Mein Problem ist aber, dass ich häufig unter Schreibblockaden leide. Das heißt, ich sitze vor meinem Rechner (oder Blatt Papier) und grübele manchmal stundenlang über einen Anfang nach. Irgendwie fällt es mir hin und wieder schwer, einfach draufloszuschreiben. Und je länger mich diese weiße Leere anstarrt, umso schwerer fällt es mir. Manchmal tippe ich dann vor lauter Verzweiflung in mehrfacher Ausführung folgendes drauf los.. "Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!" ;) Ist das normal? Plagen Sie manchmal ähnliche Blockaden? Wie geht man damit um? Was hilft dagegen?

Nun, ich weiß manchmal nicht, was ich schreiben soll, aber ich bezeichne das nicht als "Blockade". Mit diesem Begriff stellt man sich selbst ein Bein, weil man seinem Unterbewußtsein damit suggeriert, man sei hilfloses Opfer einer unbeeinflussbaren Macht - der Muse, der es eben gerade nicht gefällt, einen zu inspirieren. Wenn Sie mal genau überlegen, gibt es das in keinem anderen Bereich. Man hört wohl mal, daß jemand schlecht drauf ist, keine Lust hat zu arbeiten oder daß jemand nix Gescheites zuwege bringt - aber ich habe noch nie von einer "Konstruktionsblockade" oder einer "Programmierblockade" gehört, ganz zu schweigen von einer "Backblockade" bei Bäckern oder einer "Müllaufladeblockade" bei Müllmännern. Am besten streichen Sie diesen Begriff komplett aus Ihrem Wortschatz. 


Was es gibt, ist folgendes: 


  • Man weiß nicht, was man schreiben soll. Das liegt dann daran, daß man sich die Geschichte noch nicht in der nötigen Detailliertheit überlegt hat, und in dem Fall sollte man zuerst das machen (wie auch immer - der eine kritzelt dazu seitenweise auf Notizblöcke, der andere geht spazieren, der dritte liegt auf dem Sofa und hört Hard Rock...), ehe man weiterschreibt. Insbesondere das Spazierengehen wird von vielen Autoren empfohlen, u.a. von Stephen King. Und der muß es ja wissen :-)
  • "'s lafft net", wie der Bayer sagt. Man weiß zwar, was man schreiben will und wie die Story weitergeht, aber alle zwei Sätze, die man hinschreibt, streicht man drei wieder. Wie auch immer man es formuliert, es erscheint einem schal, ungenügend, platt.

Was da geschieht, ist, daß der Schreiber und der Lektor aneinandergeraten. Jeder Schreibende besteht nämlich eigentlich aus diesen zwei Personen. Und wenn der Schreiber an der Tastatur sitzt, der Lektor aber hinter ihm steht, ihm auf die Finger sieht und grummelt "Mach jetzt bloß keinen Fehler, Junge!", dann "laff's net". Würde es im richtigen Leben auch nicht, oder?

Man muß lernen, den Inneren Lektor fortzuschicken. Damit der das mit sich machen läßt, muß man in ihm das Vertrauen erwecken, daß er zu einem späteren Zeitpunkt durchaus zu seinem Recht kommen wird. Erst ist der Schreiber dran - der darf wild drauflosschreiben, wie er will, alles ist okay und willkommen. Dann Pause, durchatmen (man muß für sich herausfinden, wann diese Pausen angebracht sind und wie lange sie dauern dürfen) und Übergabe an den Lektor. Der darf jetzt scharfäugig über den Text gehen und alles anstreichen, was ihm mißlungen scheint, korrigieren, wo nötig, anerkennend brummen, wo eine Passage glatt sitzt. (Manche Autoren schreiben immer vormittags, nachmittags wird der Text VOM VORTAG überarbeitet. Andere - zu denen ich gehöre - schreiben erst den GANZEN Roman und überarbeiten ihn dann. Wobei der Lektor im Vorfeld schon ab und zu gehört wird, ehe er für ein paar Monate in Urlaub geht.)

Auch das "wilde Drauflosschreiben" kann man üben. Das ist die berühmte Übung von Nathalie Goldberg, die ich irgendwo in meinen Tipps ausführlicher beschreibe. Im Kern geht es darum, sich einen Wecker auf eine bestimmte Zeit zu stellen - zehn Minuten vielleicht - und dann so schnell wie möglich IRGENDWAS zu schreiben, was einem gerade in den Sinn kommt; Hauptsache, die Hand bleibt die ganze Zeit ununterbrochen in Bewegung. Wirkt Wunder!

  • Manchmal ist man auch einfach müde. Dann sollte man ein Nickerchen machen - ca. fünfzehn Minuten, das wirkt oft Wunder.
  • Und manchmal hat man uneingestanden Lust, lieber was anderes zu machen. Dann hilft meist nur, DAS zu machen.

Ich hoffe, das hilft Ihnen weiter. 




Was also kann man gegen diese Schreibblockade unternehmen?

Das ist keine Schreibblockade. Nehmen Sie dieses Wort bitte gar nicht erst in Ihren Wortschatz auf, es richtet nur Schaden an. Es gibt keine Schreibblockaden, genauso wenig, wie es Taxifahrblockaden oder Kinder-unterricht-Blockaden gibt: Man hat mal einen schlechten Tag, oder man hat einfach nicht die Idee, was man tun soll, das ist alles. 




Ich würde gerne einen Roman schreiben, bringe es jedoch zu Hause einfach nichts zustande. Es ist wie eine Blockade, kaum habe ich angefangen, gehe ich wieder in die Küche, um etwas zu trinken oder eine Zigarette zu rauchen, oder ich höre, dass im Fernsehen irgendwas läuft, das mich interessiert. Und schon komme ich auch ideenmässig nicht mehr weiter. Anderntags, wieder im Büro, bin ich voller Energie, was zu schreiben und meine Fantasie kennt keine Grenzen. Ich muss noch dazu sagen, dass ich daheim optimal eingerichtet bin und in Ruhe schreiben könnte, was im Büro eigentlich nicht der Fall ist (Hektik, Rumgeläufe usw.). Besteht die Möglichkeit, dass ich höchstens geeignet bin, um Kurzromane zu schreiben, oder auf was würden Sie mit Ihrer Erfahrung tippen?

Ich würde darauf tippen, daß Sie jemand sind, der Hektik und Getriebe um sich herum BRAUCHT, um kreativ arbeiten zu können. 


Denken Sie daran, daß nicht wenige Dichter ihre Werke in Kaffeehäusern usw. geschrieben haben. Warum, wenn sie genauso gut zu Hause in der Stille hätten sitzen können? Ich schätze, weil sie die Stille nicht ertrugen. Sie ist ja auch nicht jedermanns Sache, sonst wäre es wesentlich ruhiger auf der Welt. 


Also, arbeiten Sie in den Umständen, in denen es Ihnen leicht fällt. Gehen Sie eine halbe Stunde früher ins Büro und richten Sie es so ein, daß Sie tagsüber eine halbe Stunde an Ihrem Roman schreiben. In einer halben Stunde kann man eine Seite schaffen, das heißt, die erste Fassung eines Romans durchschnittlicher Länge hätten Sie nach spätestens anderthalb Jahren. Das ist nur eine Idee; John Grisham hat es so gemacht zum Beispiel. 




Gibt es sie überhaupt, die gespensterhaft umgehende SCHREIBBLOCKADE?

Klar doch. Als Ausrede fauler Schriftsteller. :-) Ist doch besser, zu sagen "oh, ich glaube, ich habe mir eine Schreibblockade eingefangen" als "mir fällt nichts ein". 




Haben Sie möglicherweise schon von irgendeinem Schriftsteller gehört, der an seinem Computer mit Spracherkennungssoftware arbeitet, um sich die lästige Tipperei zu ersparen? Vielleicht haben Sie es ja sogar schon selbst einmal ausprobiert. Immerhin geht es ja ums Geschichten erzählen.

Ich selber habe es noch nicht ausprobiert, mangels Gelegenheit, bin mir aber auch fast sicher, daß es nicht mein Fall wäre. Ich BRAUCHE das Tippen; habe Texte nie anders als auf Tastaturen geschrieben. Obwohl ich nicht sehr schnell tippe, verglichen damit, was geübte Zehnfingerschreiber zuwege bringen, ist dies doch kein Hindernis - die Geschichte entfaltet sich NOCH langsamer, als ich schreibe. 


Ich weiß von Gisbert Haefs ("Hannibal", "Matzbach"-Krimis u.v.a.), daß er seit einiger Zeit mit einem CSR-System schreibt (CSR für Continuos Speech Recognition) und sehr angetan ist. Er empfahl bei unserem Gespräch damals (das schon eine Weile zurückliegt) das System von Dragon, das brauchbar sei, riet dagegen dringend von IBMs Via Voice ab, das nur Müll produziere.




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