Umgang mit Ablehnungen



Die nachfolgenden Fragen und Antworten sind alle schon etwas älteren Datums. Ich stelle sie hier trotzdem online, weil ich meine, dass der Umgang mit Ablehnungen immer ein wichtiges Thema für Autoren sein wird und der eine oder andere vielleicht hilfreich finden mag zu lesen, was andere gefragt und was ich darauf geantwortet habe. Behalten Sie aber im Hinterkopf, dass sich die Spielregeln der Verlagssuche gerade stark ändern: Die meisten Verlage haben auf ihren Websites inzwischen genaue Vorgaben veröffentlicht, in welcher Form man ihnen Manuskripe anbieten soll (Vorgaben, an die man sich tunlichst exakt hält), manche akzeptieren inzwischen Zusendungen per Mail (was noch vor zehn Jahre ein absolutes No-Go war), und das Thema Selfpublishing spielt auch bei der Suche nach einem Verlag eine zunehmend bedeutendere Rolle. (Hier habe ich dazu ein paar Gedanken und Beobachtungen niedergeschrieben.)

Ansonsten steht für "Erste Hilfe" im Fall einer akuten Ablehnung immer noch meine Trostliste bereit.



Ich weiss nicht, ob die Ablehnung meines Romanes nicht vielleicht ein starker Schlag auf mein Selbstbewusstsein ist, den ich in dieser Beziehung nicht wegstecke.

Hoho! Irrtumsalarm!

Sie machen sich ein völlig falsches Bild vom Dasein eines Autors, wenn Sie glauben, daß es möglich wäre, die Ablehnung eines Romans zu vermeiden. Das ist UN-MÖG-LICH, groß geschrieben. Sie schreiben einen Roman, und erst mal lehnen ihn 90% aller Verlage ab, denen Sie ihn anbieten. Dann findet sich ein Verlag, der den Roman herausbringt, dann lehnen ihn jede Menge Rezensenten ab, jede Menge Leser... Und jedes Mal tut es weh. Aber es ist nicht zu vermeiden.

Mit einer so ängstlichen Haltung gelangt man nirgendwohin. Angenommen, jemand sagt sich, "wenn ich ein Mädchen anspreche und sie weist mich ab, ich weiß nicht, ob das vielleicht ein starker Schlag auf mein Selbstbewusstsein wäre, den ich in dieser Beziehung nicht wegstecke" - wie will so jemand jemals eine Freundin finden? Man muß es tun, das Risiko eingehen, eventuelle Tiefschläge wegstecken und es wieder tun, bis es klappt. Und beim Romaneschreiben ist es ganz genauso.

Wichtig ist, daß Sie tatsächlich schreiben. Genau wie man nur ein Läufer werden kann, wenn man auch läuft, kann man nur ein Schreiber werden, wenn man auch schreibt.


Sicher ist es vor allem wichtig sich klarzumachen, daß nur dieses Manuskript abgelehnt wird, nicht der Autor selbst.

Das ist die hohe Kunst. Das muß man sich auch klarmachen. Es ist objektiv so, daß nur ein Manuskript abgelehnt wird, aber es ist auch menschlich, sich niedergeschlagen zu fühlen, wenn man eine Absage bekommt. - Ich sage das deshalb, damit niemand sich auch noch deswegen fertigmacht, daß er ein Manuskript zurückbekommt und es nicht schafft, sich nicht elend zu fühlen.

Ich denke, das ist wie mit dem Lampenfieber, das auch Schauspieler mit jahrzehntelanger Erfahrung noch befällt. Der Unterschied ist vielleicht nur, daß man mit dem Gefühl anders umzugehen lernt.

Das WICHTIGSTE ist: egal, wie man sich fühlt - man darf sich von einer Ablehnung nicht davon abbringen lassen, weiterzuschreiben!


Was heißt es, wenn mir ein Verlag auf meine Anfrage/Leseprobe mitteilt, dass die Planung für Buchveröffentlichungen für die nächsten vier Jahre festgelegt sei und man bedauere usw.?

Das heißt übersetzt von Scheißhöflichdeutsch nach Klardeutsch: Danke, kein Interesse.


Warum haben die Verlage Angst davor, zu schreiben, wie es wirklich steht? Mich hätte so einen Satz wie "Wir hatten ihren Romanprojekt in die engere Auswahl gehabt" enorm motiviert.

Zweifellos, aber aus Sicht der Verlage ist der Umgang mit unveröffentlichten Autoren eine heikle Sache. Es gibt da sehr viele ausgesprochene Nervensägen, und deren Verhalten verdanken die übrigen, daß Verlage sich im Zweifelsfall eher bedeckt geben. Fast jeder Lektor hat seinen persönlichen "Telefonterror" erlebt.


Ich habe mittlerweile 28 Absagen von renommierten oder auch weniger renommierten Verlagen bekommen - und das sind nur die, die auf die Zusendung meines Manuskripts geantwortet haben. Verschickt habe ich es schon an die 40 mal, wobei die Verlagslandschaft noch längst nicht abgegrast ist. Ist das Verlagswesen so in den Knien, dass man sich nicht mehr auf junge, viel versprechende Autoren einlassen will? Will kein Verlag mehr was riskieren?

Das Verlagswesen jammert, aber das tut es eigentlich immer. Soweit ich das mitkriege, wird nach wie vor eifrig nach vielversprechenden Autoren gesucht, gern auch deutscher Zunge, denn erstens entfallen da Übersetzungskosten, und zweitens steigen die Forderungen speziell der amerikanischen Autoren immer weiter ins Unerträgliche. Ich habe sogar eher das Gefühl, daß man dieser Tage selbst zu Autoren greift, die ich eher in die Kategorie "wenigversprechend" einordnen würde.

Zum Thema Risiko: Das Verlagsgeschäft ist seinem Wesen nach ein Risikogeschäft, weil man - anders als bei Autos, gewalztem Stahl, Blutdruckmitteln oder anderen Produkten - nie im voraus weiß, welches Buch sich wie gut verkaufen wird. Nein, ich fürchte, wenn man mit seinem Manuskript nicht "landet", muß man mannhaft auch der Möglichkeit ins Auge sehen, daß man vielleicht noch nicht so viel versprechend daherkommt, wie man denkt.


Ich habe leider einige Absagen bekommen, dass die Themen meiner Bücher zwar klasse sind, auch mein Schreibstil toll - nur leider viele Gedankengänge oder Handlungen absolut zu kurz kommen bzw. abgehandelt sind.

Immerhin sind das schon "qualifizierte Absagen", d.h. kein Formbrief, zwischen dessen Zeilen steht "bitte belästigen Sie uns nicht weiter", sondern: Jemand hat gelesen und erwogen und gesagt, leider, es geht nicht.

Mit anderen Worten: Sie müssen nur noch diese eine Schwäche ausbügeln, dann kann es klappen!

Ist das nicht ermutigend?


Bis heute ist es mir nicht gelungen, auch nur bei einem einzigen Verlag, gleich welcher Größe, eine informative Ablehnung meiner Manuskripte zu erhalten aus denen ersichtlich wird, ob und welche Manuskripte deutschsprachiger Autoren überhaupt nachgefragt werden. Kontaktaufnahmen via Internet verlaufen meiner Erfahrung nach in einer Richtung.

Ja. Versuchen Sie es telefonisch, auch wenn es Überwindung kostet. Versuchen Sie es auf Buchmessen, auch wenn die Leute da vor einem flüchten. Versuchen Sie es brieflich. Emails sind erst angebracht, wenn bereits eine Geschäftsbeziehung besteht.

Ansonsten: Deutschsprachige Verlage suchen geradezu händeringend nach guten deutschsprachigen Autoren, weil die Lizenzgebühren für amerikanische Romane immer unbezahlbarer werden. Die traurige Tatsache ist aber, daß gute deutschsprachige Autoren nicht scharenweise herumlaufen, und man muß sich fragen, warum nicht?


Bringt es Ihres Erachtens etwas, wenn man z.B. bei einer Standard-Absage durch einen Verlag beim Lektor persönlich nachfrägt, um einen aussagekräftigen Feedback zu erhalten oder ist eher davon abzuraten (will auch heissen, Lektor/in reagiert vielleicht unwirsch, da er aufgrund seiner Absage nicht mehr über dieses Manuskript sprechen will oder sich ob der eingegangenen Flut auch nicht mehr richtig daran zu erinnern vermag).

Ja, wenn Sie sich davon beeindrucken lassen, daß jemand, den Sie anrufen, unwirsch reagiert, dann sollten Sie das vielleicht sowieso vergessen. Unwirsch ist gar kein Ausdruck - die meisten Lektoren HASSEN es, von unbekannten Autoren angerufen zu werden! In der Regel müssen Sie schon einigermaßen findig und hartnäckig sein, um einen Lektor überhaupt ans Telefon zu kriegen.

Die Frage, ob es "etwas bringt", hängt davon ab, was Sie sich davon erhoffen. Was meines Wissens noch nie funktioniert hat, ist der Versuch, ein Buch, das in Manuskriptform nicht überzeugt hat, durch telefonisches Nachhaken doch noch an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Das ist Feinde schaffen ohne Waffen, das kann ich Ihnen nicht empfehlen.

Ich habe das einmal gemacht: die Lektoren anzurufen, die auf den Absagebriefen unterzeichnet hatten. Einige habe ich auch - trickreich, wie ich bin - an die Strippe gekriegt. Dann habe ich nur gesagt, daß ich ihnen ein Manuskript mit dem Titel "Die Haarteppichknüpfer" geschickt hätte, daß sie es abgelehnt hätten und daß ich gerne etwas mehr darüber gewußt hätte, aus welchen Gründen, das ginge aus dem Ablehnungsschreiben leider nicht hervor, und beim nächsten Buch wolle ich es schließlich besser machen. (Es schadet nicht, zu demonstrieren, daß man das Schreiben ernst nimmt, d.h. auf lange Sicht denkt, und seine Gefühle weitestgehend im Griff hat.) Das also sagte ich, und dann war ich erst mal STILL und beschränkt mich vor allem darauf, ZUZUHÖREN und zu LERNEN. Und so wurde es zu einer sehr lehrreichen Erfahrung.

Etliche erinnerten sich einfach nicht an das Manuskript. Das sagt ja auch schon was. ("Fünfzig Manuskripte kriege ich hier pro Woche, ach je..." sagte eine.) Einige von denen, die sich nicht erinnerten, fragten nach, worum es gegangen sei, und erzählten mir etwas über die Aussichten von Science Fiction in der deutschen Verlagswelt. Manche gaben mir Tipps - etwa "Sie sollten erst einmal versuchen, im Taschenbuch veröffentlicht zu werden; ein erfolgreiches Taschenbuch kann der Einstieg sein ins Hardcover". Und ein oder zwei erinnerten sich an das Manuskript und sagten mir bereitwillig, was ihnen daran gefehlt hatte, um sich zugunsten des Buches zu entscheiden. Das habe ich alles fein säuberlich mitgeschrieben und mich höflich bedankt für die Auskunft und mit keinem Wort versucht, sie etwa umstimmen zu wollen - allerdings habe ich einmal, wenn ich mich recht entsinne, so etwas gefragt wie "Wenn ein Buch nun mehr soundso wäre, wie würden Sie das beurteilen?", worauf ich aber bloß die lakonische Antwort "Das muß man sehen" erhielt. Nun ja.


Ich habe, nachdem ich in den Lektoraten angerufen hatte (und meistens nicht über die Sekretätin hinaus kam), eine Synopsis und 50 Seiten Manuskriptauszug an diverse Verlage geschickt. Ein seriöser Verlag hat mir tatsächlich eine Antwort geschickt, verbunden mit der Bitte das gesamte Manuskript einzureichen, weil man es "eingehender prüfen" wollte. Nun erreicht mich neuerdings von diesem Verlage ein Absage (Standardfloskeln), die mich doch etwas irritiert. Dort steht nämlich u.a.: "Leider hat unsere Prüfung ergeben, dass sich Ihr Vorhaben nicht in unsere laufende Programmplanung und in die Felder, auf denen wir verlegerisch tätig sind, einfügen lässt." Mal abgesehen davon, dass dieser Verlag Bücher zu "meinem Thema" verlegt, ist das doch wirklich ziemlich arrogant, einen Schreiber, der sich die ganze Mühe machte mit der angeforderter Manuskripteinsendung auf diese Art und Weise abzuspeisen. Ist das wirklich "Standardstil" der Verlage?

Sie hegen da etwas idealistische Vorstellungen davon, wie die Beziehungen zwischen Autor und Verlag beschaffen sein sollten. Es handelt sich um eine Geschäftsbeziehung, in der der Autor Lieferant und der Verlag Kunde ist, und deswegen gelten im großen und ganzen alle Regeln für Kunden-Lieferanten-Beziehungen genau so, wie sie, sagen wir, zwischen dem Großversandhaus Quelle und einem Hersteller von Bettbezügen herrschen. Der Hersteller der Bettbezüge versucht, mit dem Versandhaus ins Geschäft zu kommen, weil er dann erst mal eine Weile ausgesorgt hat, aber natürlich gibt es viele Hersteller von Bettbezügen, und das Versandhaus kann sich durchaus wählerisch zeigen, wessen Produkte es schließlich vertreibt. Angebot und Nachfrage eben, die regeln das. Deswegen muß der Vertrieb des besagten Herstellers von Bettbezügen sich die Hacken ablaufen und so manche Kröte schlucken.

Gäbe es nur einen einzigen Hersteller von Bettbezügen, sähe es natürlich anders aus: Dann würden die verschiedenen Versandhäuser gegeneinander konkurrieren! Übertragen auf die Welt der Bücher ist das die Situation, in der sich etwa ein Stephen King oder eine Danielle Steel befinden. Entsprechend anders sieht das für derlei Autoren aus.

Paradoxerweise braucht ein Autor aber die Hilfe eines Verlags, um den Status zu erreichen, nicht mehr von einem Verlag abhängig zu sein. Sprich: Man kann nicht als Bestsellerautor anfangen. Das ist nun einmal so.

Betrachten Sie alle diese "Mühen" nicht als Mühen, sondern als Investitionen. In jeder Branche ist es so, daß man viele Angebote verschicken muß, ehe man einen Auftrag bekommt, und Angebote zu erstellen für, sagen wir, den Ausbau einer Großküche im Altersheim, ohne am Ende den Zuschlag zu erhalten, ist eine noch weit aufwendigere Sache, die ein Jungarchitekt auch nie bezahlt bekommt. Da ist das Eintüten einer Leseprobe ein Klacks dagegen.

Daß der Verlag Bücher zu ihrem Thema verlegt, kann je nach Situation ein Vorteil oder ein Hindernis sein: Es kommt nicht selten vor, daß man einen Buchvorschlag vorlegt, der einem anderen Projekt, das der Verlag schon auf der Pfanne hat, zu sehr ähnelt. Ein Verlag kann es sich nicht erlauben, kurz hintereinander z.B. zwei Romane herauszubringen, die fast dieselbe Geschichte erzählen.

Mein Rat ist: Drehen Sie in Bezug auf die Verlagssuche den Emotionsregler so weit runter, wie es geht. Das ist nun mal eine weitgehend frustrierende Phase, und man kann sich nur damit trösten, daß es jedem anderen Autor, der heute Rang und Namen hat, anfangs genauso ging, manchmal noch viel schlimmer. Das Beste, was man tun kann, ist, in dieser Zeit bereits einen neuen Roman anzufangen. Vielleicht einen, in dem man alle Wut und allen Ärger so richtig rauslassen kann. (Was glauben Sie, warum es in "Solarstation", meinem zweiten Roman, so blutrünstig zugeht? :-D) Ein neues Romanprojekt - selbst, wenn später nichts draus werden sollte - bindet die emotionale Energie und hilft einem, die Verlagssuche geschäftsmäßiger zu handhaben.


Einer dieser Großverlage schickte mir nach zwei Wochen ein Schreiben, in dem sie ihre Freude darüber schilderten, dass ich mich ausgerechnet an sie gewandt hatte u.s.w. Dennoch baten sie mich um etwas Geduld. Zwei Monate später kam dann doch eine Absage. Die Lektorin schrieb mir, sie hätten mein Expose mit großem Interesse gelesen, dennoch würde das Thema nicht zu ihnen passen, da sie nur Buchreihen und nicht einzelnen erzählenden Romane im Programm hätten. Ich frage mich ob das nur eine Standardabsage war oder ob ich doch in die engere Auswahl gekommen war.

So, wie Sie es schildern, klingt es nicht nach einer Standardabsage. Eine Standardabsage besteht aus dem zurückgesandten Manuskript und einem Brief, in dem in der Regel steht, man sei auf Jahre hinaus ausgebucht mit Projekten der eigenen Autoren oder dergleichen. Also, erst eine Nachricht, die um Geduld bittet, und dann eine Absage wäre zuviel Aufwand für etwas, das man von vornherein nicht haben will. 
Das, was Sie schildern, klingt so, als hätte eine Lektorin überlegt, ob Ihr Buch eventuell in eine der Buchreihen passen würde. Das Argument der Absage ist auch glaubhaft; Verlage schmeißen ihre Programmschemata in der Regel nicht wegen eines Autors um, nicht einmal, wenn er Stephen King oder so heißt.


Ich mußte mehr als ein Jahr warten, bis ich eine Antwort enthielt, die - wie erwartet - dann auch ablehnend ausfiel. Allerdings hat der Begutachter sich diesen Schritt nach seinen Angaben lange überlegt und sich mit der Ablehnung schwer getan. Er hat den Roman offensichtlich von Anfang bis Ende gelesen und fand viele lobende Worte, aber auch konstruktive Kritik, was die Charakterzeichnung der Figuren betraf. Ich habe aus dem Brief geschlossen, daß es durchaus Chancen für den Roman gibt.

Dieser Schluß ist berechtigt. Daß Sie überhaupt ein derartiges Begleitschreiben bekommen haben anstatt eines vorgedruckten Absageschreibens, bedeutet, der Lektor würde gerne etwas von Ihnen veröffentlichen. Nur noch nicht das, was Sie ihm geschickt haben, oder jedenfalls nicht so, wie es ist. Aber ein individuelles Begleitschreiben mit Begründungen dürfen Sie, egal was darin steht, als eine Art Zertifikat nehmen, daß da jemand der Ansicht ist, Sie könnten schreiben.


Wie lange kann eine Überprüfung der sog. Leseprobe dauern?

Kann man nicht sagen. Von manchen Verlagen hört man erst nach Monaten etwas. Die Lektorate sind alle überlastet. In den Monaten rund um die Buchmesse tut sich beispielsweise besonders wenig.


Meine Leseprobe liegt im Verlag vor. Bin ich einen Schritt weitergekommen, wenn es schon mal jemand überhaupt prüft?

Selbstverständlich. Denn das Schwierigste ist, ein Feedback zu bekommen, mit dem man etwas anfangen kann. Die üblichen Absagebriefe sind nichtssagend; da weiß man nicht, ob man was Gutes geschafft hat oder nicht, man weiß nicht mal, ob es überhaupt gelesen wurde.

Also: es geht darum, daß man weiß, es wurde tatsächlich gelesen. In der Regel erhält man dann auch ein wenig Rückmeldung, selbst im Fall einer Ablehnung. Eine Aussage wie "nicht spannend genug" etwa ist doch ein deutlicher Hinweis, in welcher Richtung man an sich arbeiten muß, oder? Und eine Aussage wie "zur Zeit kein Markt für altchinesische Liebesgeschichten" ist eine ganz andersgeartete Information: man weiß, es liegt nicht unbedingt an einem selbst, man ist bloß grade in der falschen Zeit. (Wobei sich Verlage da auch bisweilen etwas vertun. Wie hieß der Verleger, der sagte, "es gibt keinen Markt für Jugendbücher über Zauberer"?) Man könnte es also in diesem Fall getrost bei einem anderen Verlag versuchen, während ich im ersten Fall (oder auch bei "die Figuren sind mir zu klischeehaft" oder "es holpert sprachlich") eher an mir selber arbeiten würde.


Theoretisch könnten sie die Leseprobe ja nach der ersten Seite in den Müll wandern lassen.

Sicher, und was ist dagegen einzuwenden? Im Prinzip fangen Sie damit ohnehin nichts mehr an, wenn Sie sie zurückerhalten (was Sie wahrscheinlich werden, ich habe noch nie gehört, daß ein Verlag etwas Eingesandtes ungefragt vernichtet hätte) - man sieht es dem Ding im allgemeinen an, daß es schon gelesen wurde; das können Sie so nicht nochmal verschicken.

Und wenn die erste Seite einigermaßen zündet, dann lesen die Lektoren auch weiter. Lektoren sind im allgemeinen duldsamere Leser als normale Buchkäufer; sie suchen ja nach Gold und sind bereit, dafür eine Menge Abraum zu bewegen.


Gibt es noch den Geheimtipp oder ist der insolvent?

Den Geheimtipp gibt es nicht. Es müssen der richtige Autor und der richtige Verlag zusammentreffen, damit es funken kann. Wenn man vorher wüßte, welche Kombination funktioniert, wäre vieles leichter, aber man weiß es eben nicht. Zum Beispiel war Petra Hammesfahr anfangs eine Zeitlang bei Lübbe, aber ihre Bücher lagen wie Blei in den Regalen. Sie ging zu Rowohlt und wurde, zack, zur Bestsellerautorin.

Niemand weiß, woran das lag. "Chemie" sagt man eben, aber das ist natürlich auch nur ein anderes Wort für "keine Ahnung".

Also: Weitermachen. Es ist erst vorbei, wenn man aufgibt.


Ich habe eine Absage bekommen, über die ich mich gefreut habe! :-)) Der Verlag meinte, dass ihm das Buch sehr gut gefallen hat und dass ihn die Hauptfiguren nachdrücklich beeindruckt haben. Er hat das Buch aber nicht angenommen, weil es zu nah an der Realität sei, es fehle die "literarische Distanz und Verarbeitung des Themas".

Ja, dann wird das wahrscheinlich auch so sein. Das habe ich so ähnlich auch schon zu vielen Leuten sagen müssen, und es ist der Grund, warum ich davon abrate, damit zu beginnen, eine Geschichte aufzuschreiben, die man selber erlebt hat. Man braucht viel Erfahrung, ehe man aus tatsächlichen Ereignissen eine brauchbare Geschichte machen kann.

Allerdings ist das natürlich oft genau das, was Leute ans Schreiben bringt: Das Bedürfnis, etwas zu verarbeiten, was man erlebt hat.

Bloß - muß das deswegen gleich gedruckt werden? Was hat JEMAND ANDERS davon? Das ist die Frage. Und bei autobiographischen Erzählungen lautet die Antwort meistens: Nichts. Oder jedenfalls zu wenig, als daß sich eine Veröffentlichung rechtfertigen ließe.


Allerdings könnten größere Verlage aus dem gleichen Grund (mangelnder Bekanntheitsgrad des Autors) ebenfalls die Manuskripte ablehnen.

Nein, so ist das nicht. Manuskripte werden hauptsächlich abgelehnt, weil sie schlecht sind bzw. vom Verlag dafür gehalten werden. Manchmal auch, weil das Werk nicht zum Verlag paßt (ein tatsächlich wesentliches Argument). Aber grundsätzlich sind die meisten Verlage durchaus auf der Suche nach einem guten Erstlingswerk, weil eben immer wieder solche Sachen passieren wie "Die Asche meiner Mutter".

Was allenfalls passiert, ist, daß ein Manuskript angenommen wird, OBWOHL es schlecht ist, WEIL der Autor bekannt ist. Aber umgekehrt ist das kein Argument, das ein Verlag verwenden würde. Höchstens intern und hinter vorgehaltener Hand.


Das Verzweifeln an den Verlagen und Lektoren, den oft dümmlichen, ignoranten, besserwisserischen Aussagen, die man bekommt... wenn man überhaupt welche bekommt...

Da muß man durch. Das ist die große Prüfung der Entschlossenheit. Das ist der Reisberg, durch den man sich essen muß, wenn man ins Schlaraffenland will. (Die schlechte Nachricht: drinnen gibt es weitere Reisberge...)

Mittlerweile kenne ich auch die "andere Seite" ganz gut, die Seite der Lektoren. Und glauben Sie mir, das sind auch geplagte Leute.

Stellen Sie sich vor, Sie sind Lektor. Auch ohne daß ein einziges unverlangt eingesandtes Manuskript auf Ihren Schreibtisch kommt, haben Sie mehr als genug zu tun mit der Betreuung der laufenden Buchprojekte, eilen von einer Besprechung mit der Werbeagentur zu einer Konferenz mit der Vertriebsabteilung, müssen Umschlagentwürfe anmahnen und Fahnen korrigieren und so weiter. Doch zu alldem kommen diese Manuskripte, je nachdem, wie bekannt Ihr Verlag ist, bis zu 50 Stück pro Woche! Und Sie haben noch im Ohr, was der Verlagsleiter bei jeder Besprechung geradezu gebetsmühlenartig wiederholt: "Wir müssen junge Talente finden und aufbauen, vielversprechende deutsche Autoren, die Lizenzgebühren für die amerikanischen Autoren fressen uns sonst noch auf!" Und dabei guckt er Sie immer so bedeutungsvoll an - also ist Ihnen klar, Sie müssen die Berge von Papier sichten. Vielleicht ist die nächste Rosamunde Pilcher drunter oder der nächste Günter Grass oder der deutsche John Grisham, wer weiß. 
Zum Glück sind die meisten so erbämlich schlecht, daß ein Blick darauf genügt, um sie auszusortieren. Bei vielen reicht es, die ersten drei Seiten zu lesen, um zu wissen: der Autor hat's einfach nicht drauf. Ab und zu finden Sie ein Manuskript, das "etwas hat" - aber so noch nicht veröffentlichbar ist. Vielleicht hat der Autor eine schöne Sprache, sie aber an ein ganz blödsinniges (oder unverkäufliches) Thema verschwendet. (Das gibt es. Bücher über die alten Ägypter gehen gut, Bücher über die alten Griechen sind Blei in den Regalen. Solche Erfahrungen. Wobei es in zwei Jahren genau umgekehrt sein kann, wer weiß?) Oder der Roman, den Sie lesen, hat Längen, nimmt eine ungeschickte Wendung, traut sich nicht wirklich an das Thema heran. Das sind dann die Manuskripte, die Sie mit einem geschriebenen Brief begleitet zurückschicken, vielleicht sogar den Autor anrufen (der Rest kriegt nur höflich-schwammige Formbriefe, die die eigentliche Aussage kaschieren sollen, die da lautet: Bitte schicken Sie uns nie wieder was, danke.).

Und immer träumen Sie von dem Tag, an dem Sie das (nahezu - Sie als Lektor wollen ja auch noch was dazu beitragen können) vollkommene Manuskript aufschlagen, dem Tag, an dem Sie einen Hammer von Buch in der Post vorfinden, einen Stapel Papier, mit dem Sie direkt ins Büro des Verlagsleiters stürmen werden, um es ihm hinzuknallen, mitten auf seinen großen Schreibtisch, und zu sagen: "Da! Lesen Sie das, und erbleichen Sie!"

Einstweilen haben Sie aber nur diese Beinahe-Bücher, diese Werke, bei denen Sie schwanken, ob Sie sich dafür einsetzen sollen oder nicht. Sie schreiben dem Autor oder rufen ihn an. Und was erleben Sie in der Mehrzahl der Fälle? Am anderen Ende der Leitung lebt ein Genie an Uneinsichtigkeit, das darauf beharrt, daß an keinem Komma auch nur das geringste geändert wird. "Entweder es wird so gedruckt, wie ich es geschrieben habe, oder gar nicht." Also drucken Sie es gar nicht. - Möglicherweise können Sie es vermeiden, nach einer Kette solcher Frustrationen zynisch, gleichgültig oder gehässig zu werden: dann haben Sie es immer noch mit Autoren zu tun, die zwar willig sind, Änderungen zu machen, ihre Romane dadurch aber nicht verbessern. Autoren, die kein Komma auf ihrer Tastatur zu haben scheinen. Autoren, die nicht wissen, was ein Absatz ist. Autoren, die zwar erzählen können, aber ständig die Zeiten verwechseln. Autoren, die Änderungen zusagen, sich aber nie wieder melden. Das kann einem das Lesen ganz schön verleiden. Irgendwann stellen Sie fest, daß Sie abends lieber ins Kino gehen...

Also: es ist auf beiden Seiten ein Ringen. Und ich glaube, es MUSS ein Ringen sein. Schwerter schmiedet man im Feuer, nicht im warmen Bett. 




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